Ich war heute in Faro. Leider sind die Kunstwerke in den alten Hallen am Hafen verschwunden. Ich bin dann Essen gegangen. Als Vorspeise gab es den leckeren Möhrensalat und als Hauptgericht Hähnchen Piripiri. Anschließend bin ich in das Industriegebiet und habe die alte Fabrik besucht, war bis ganz oben im Turm. Für die Altstadt hatte ich leider keine Zeit mehr. Gruß Mat.
Vom Untergang des Industriezeitalters
Die Industriebrache
Nichts bleibt verschont. Der Verfall wohnt in der Materie, im Menschen …
Mit diesem Bericht haben wir vor drei Tagen mal angefangen. Dann ist er explodiert. Oder implodiert. Wie man’s halt meinetwegen so haben will. Auf jeden Fall: jede Zeile, jeder Buchstabe, jedes Bild, alles verschwand ins digitale Nirwana. Dort hängt’s nun zu Ehren von Apple oder Google oder sonst einem Gott. Also: beginnen wir die Reise von vorn. In Wieblingen Mitte (Haltestelle OEG – Linie 5, ehemaliger Betreiber die Oberrheinische Eisenbahn-Gesellschaft AG, bei vielen unter dem Namen ÖG geläufig), was für ein malerisches Örtchen. Und nicht mal unbedeutend. Historisch betrachtet. Ein Herrenhaus. Ein ehemaliges Schloss. Im örtlichen Areal eine 1927 gegründete Schule: genannt nach Elisabeth von Thadden (1890 – 1944). Der Zeitpunkt ihres Todes spricht Bände. Um das Gelände zu betreten, sollte man sich – wie es sich gehört – anmelden. Und zwar beim Sekretariat! Da hat der Gärtner / Hausmeister uns einen Rüffel gegeben! Den haben wir ganz cool runtergewürgt und miteinander angefangen zu palavern. Das verhinderte immerhin den Rauswurf; je mehr man diskutiert, desto näher kommt man sich. Da bleibt dann keiner auf der Strecke. Toleranz und Respekt dem Gegenüber! Je nun, er ist ja nicht mein Dienstherr! Aber gemocht haben wir uns am Ende trotzdem nicht.
Jedenfalls hinterliess er, der Hausmeister, einen fototechnischen Komplex (Beispiel Büste) aus verwitterndem Gehölz oder Holz oder was weiss ich. Davon steht auf dem Hof der Schulverwaltung reichlich rum, auch ein steinernes Grab aus der Mitte des 18. Jahrhunderts: Hier ruht in Gott Reichsfreifrau von La Roche… Auch Schach darf gespielt werden (Brett 4m x 4m), wenn nur die Figuren komplett wären; der weise König hat sich verabschiedet!
Ich verlasse die Schule, sage tschüss und radle vorbei an der ‚Hohen Steige‚ – ein hochwasserfreies Hochufer – zum ‚Kleinen Stauwehr‚ am Neckarhamm, was immer diese Strassenbezeichnung bedeuten mag:
Gegenüber sitzt ein Reiher und wartet auf Fische:
Wir befinden uns im Naturschutzgebiet ‚Unterer Neckar‚ im Bereich des alten Neckars HD-Wieblingen.
Aber von der einstigen Wildheit ist nicht viel übrig. Höchstens vielleicht bei Hochwasser.
So könnt’s ja mal gewesen sein:
Oder so:
Machen wir uns nichts vor. Das alles sind Bekundungen verlorener Zeit. Nicht mal Promille davon sind erhalten. Und erdweit geht es grad so weiter. Dieser Vorgang der Entnahme dauert an, seit der Mensch das Licht der Welt erblickt. Beispiele erübrigen sich. Vorhersagen ebenso. Der Weg der Menschheit heisst Nimmersatt. Ich würde ja Gott verdammt gerne wissen, wie es um uns bestellt ist, wenn wir das Jahr 2114 schreiben. Sind wir da noch da? Oder sind wir fähig elf Milliarden MenschenKinder zu ernähren? Oder gar zwölf.
Wir gelangen in unnatürlichere Gegenden entlang des Flusses – unter der Brücke der BAB 5, E 35 sind moderne Zeiten angebrochen:
Und etwas weiter – die Schifffahrt: Eine zusätzliche wichtige Neckarrealität. Wasserstrassen. Transporte. LKW, Schiff, Bahn, Flugzeug, Raketen, Fahrräder, Esel, zu Fuss (Treidler) …
Nicht viel weiter und doch schon ohne den Motorenlärm der Autobahn liegt Edingen:
Interessanter wird’s bei der Anfahrt Richtung Seckenheim. Nachdem wir die Fähre zwischen Neckarhausen und Ladenburg hinter uns liessen. Ja klar, der Angler mitten im Fluss:
WIR verreisen übers Wochenende. Deshalb erst mal ein kleiner Vorgeschmack. Ein paar Fotos ausLudwigshafens alternativer Gartenkultur. Ein Ruhepol in industriell dominierter Stadtlandschaft. Einer Landschaft, die beherrscht wird von Gewinnmaximierung, Zuwanderung, endlosen Verkehrsschneisen, Kolonnen chemischer Produkt- und Fertigungsverfahren und zweifelsohne: viel, viel Armut. Und Reichtum bis an die Schmerzgrenze. Im Umland: Wein, Spargel, Kartoffeln, Salate, Gemüse…
WIR verlassen Mannheim mit Blick auf den Verbindungskanal…
Und sind im Hack Garten (Panorama) … Sechs Fotos vom Hack-Garten⇓:
Wir kamen über Waghäusel / Baden. Am Donnerstag, es war der 13. März. Schon im Zug fällt der Blick ‚uf‘ die Gebäude der Eremitage. Auf das ehedem von Südzucker genutzte Gelände. In der Ferne das AKW Philippsburg. Über die Landesstrasse 555 erreicht man die Zufahrt zum Kraftwerk:
Aber hallo, bitte der Reihe nach. Gemach. Gemach. Zuerst blicken wir mal auf Badens Geschichte: Die Eremitage Waghäusel! Ein Rückzugsort für Privatiers des 18. und 19. Jahrhunderts!? Auf dem Gelände der Eremitage widmete Waghäusel 1999 ›Den Wegbereitern der Demokratie‹ ein von dem Speyrer Künstler Franz-Werner Müller-Steinfurth geschaffenes Denkmal. Denn am 21. Juni 1849 war Waghäusel Schauplatz einer Schlacht der Badischen Revolution:
Das von Südzucker im Jahr 1997 an die Waghäuseler verkaufte Gelände wird seitdem nach und nach einer industriell-wirtschaftlichen Nutzung zugeführt. Ein Südzucker Relikt befindet sich noch auf dem ehemaligen Besitz, Foto links. Das gesamte Areal ist momentan ein ‚BAD DISTRICT PLACE‘, wie man ganz in der Nähe zu sehen und lesen bekommt. Eine Harley würde ich ja gerne mal fahren, bzw. unter dem Hintern haben. Die, die da am Haus hängt, ist wohl nie und nimmer einsatz- und fahrbereit. Schade, spüren wir doch bereits das Knattern unterm Popo: So unterschiedlich können Welten sein. Südzucker ist weg, eine Brache entsteht, ein paar Spezialisten sind dennoch unterwegs. Wir schätzen trotz allem unser Radl. Mit Zug, Rad und per pedes gelangt man fast überall hin. Und ist immer noch flott genug unterwegs. Und es bleibt einen reichlich Zeit für erblühende Natur↓:
Nun ja, auf dem Weg zur Kraftwerksanlage ereignen sich Dinge, mit denen einer nicht rechnen konnte. Das Land Baden-Württemberg vertreten durch das Regierungspräsidium Karlsruhe baut im Rahmen des Integrierten Rheinprogramms unter Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland den Rückhalteraum ‚Polder Rheinschatzinsel‘, welcher sich in unmittelbarer Nähe des AKW’s befinden wird. Für den Moment sieht es an bestimmten Stellen des Philippsburger Altrheins so aus:
Eine Art Reiseimpression, wie sie morgen bereits Vergangenheit sein wird. Die Welt sei im Wandel, heisst es. Der Mensch wandelt ebenfalls. Der wirft schon seinen Blick aufs nächste Ereignis: Hofgut Rheinschanzinsel bei Philippsburg. Man kommt nicht umhin, das Gut zu betreten. Jedenfalls finden sich keinerlei Verbotsschilder und die momentan ruhenden Bauarbeiter erheben keine Einwände gegen die Arbeit des Fotografen. Der befindet sich auf einem Abriss-, Umbau- und Sanierungsgelände. Der Text im Foto rechts ist die einzige Information zum Rheinschanzhof; dessen Mittelhof bereits geschliffen wurde, wie von Passanten zu erfahren war. Also machen wir uns auf Entdeckungsreise durch wacklige Gemäuer durch verrostete Eingänge. Nix von Betreten auf eigene Gefahr, nun ja, so gefährlich ist es nun auch wieder nicht. Wir tragen festes Schuhwerk fürWanderer; und Kopfbedeckung als Sonnenschutz. Jedenfalls befindet sich auf der anderen Strassenseite zum Hofgut ein Kreuz der Erinnerung an einen im Strassenverkehr (?) Verunglückten. Vielleicht ein ehemaliger Beschäftigter des Hofgutes? Wir lassen beim Durchstreifen der längst verlassenen Räume alle erdenkliche Vorsicht walten und machen uns auf zu einer kurzen Zwischenreportage, zunächst mit Aussenaufnahmen vom Gehöft↓:
Die schlechten Lichtverhältnisse im Innern der Gebäude veranlassen uns, ab und zu zu blitzen↓:
Wir sind untröstlich, wir müssen die Gegebenheiten akzeptieren und überlassen den Edelfalter seinem Schicksal. So früh im Jahr unterwegs – soll ja vorkommen nach langer Winterpause – und schon dem Tod geweiht.
Wir verlassen das geheimnisvolle Gehöft und radeln zur noch geheimnisvolleren Atomanlage, gesichert wie eine streng bewachte militärische Festung. Auf der anderen Seite der Fabrik, am Rhein, befindet sich ein Info-Point, öffentlich zugänglich, aber total abgeschottet vom Atomareal. Vom Leiter der Informationszentrale werde ich auf Führungen durchs Kraftwerk aufmerksam gemacht. Nach Anmeldung vor Ort erhielt ich folgende Benachrichtigung per E-Mail:
Sehr geehrte/ -r Herr Franz Bellmann, über Ihr Interesse an unseren Kernkraftwerken freuen wir uns und bestätigen Ihnen den Besuchstermin in unserem InfoCenter am 22.08.2014 von 09:00 Uhr bis ca. 13:30 Uhr. Das Programm umfasst:- Begrüßung, Vortrag zur Energiewirtschaft und zur Technik der Philippsburger Kernkraftwerke,- Fakultativ Videofilm „Strom aus Philippsburg“,- Besichtigung des Reaktorgebäudes, des Maschinenhauses und eines Naturzugnasskühlturmes, sofern die betrieblichen Belange dies zulassen, (festes, geschlossenes Schuhwerk ist zwingend erforderlich!),- Präsentation / Diskussion zur Zukunft der Energieversorgung in Deutschland. Die beigefügten Besucherlisten senden Sie bitte bis spätestens drei Wochen vor Ihrem Besuchstermin an uns zurück. Bitte beachten Sie, dass ein Betreten der Anlage nur mit gültigem Personalausweis / Reisepass möglich ist. Träger von elektronisch gesteuerten Implantaten (Herzschrittmacher, elektr. Insulinpumpe) können die Anlage leider nicht betreten.
Beigefügt erhalten Sie Informationsmaterial mit einer Anfahrtsskizze. Wir erwarten Sie zum vereinbarten Zeitpunkt im InfoCenter auf der Rheinschanzinsel bei Philippsburg. Freundliche Grüße, Team InfoCenter, EnBW Erneuerbare und Konventionelle Erzeugung AG, Rheinschanzinsel, 76661 Philippsburg, Telefon 07256 95¬14599; Telefax 07256 95¬12039, mailto:besichtigungen@enbw.com. Mehr über unsere Kraftwerke erfahren Sie auch unter: http://www.youtube.com/enbw. Schon gesehen? Die neue Seite der EnBW! Jetzt vorbeischauen: www.enbw.com…P. s.: Wirklich drucken? Sparen Sie pro Seite 250 ml Wasser, 5 g CO2, 15 g Holz und 50 Wh Energie. EnBW Erneuerbare und Konventionelle Erzeugung AG; Sitz der Gesellschaft: Stuttgart; Handelsregister: Amtsgericht Stuttgart; HRB Nr. 19353; Vorsitzender des Aufsichtsrats: Dr. Bernhard Beck; Vorstand: Dr. Wolfgang Eckert, Dr. Werner Götz, Dirk Güsewell, Jörg Michels, Volker Reinhard.
WIR sind so frei und nennen wichtige offizielle Verknüpfungen (siehe oben). Mag ja sein, dass noch jemand aus Mannheim mitgeht zur Besichtigung eines noch laufenden Fossils aus vergangenen energetischen Zeiten. Der Druckwasserreaktor ist zurzeit in Betrieb, der Siedewasserreaktor wurde abgeschaltet. So sagte man.
Im Info – Center hatten wir FotografierErlaubnis. Hier ein Blick in die Räumlichkeiten und auf einige Exponate:
Wir betrachten die Fabrik von aussen, ohne Kommentare:
Bevor wir nach Germersheim radeln noch ein Blick auf die landschaftliche Gegend:
Die Rheinbrücke nach Germersheim bedeutet: WIR sind am Ende unserer Kräfte. Den Überweg vor uns: Uns schlottern die Knie und nicht nur die.
Da reicht es uns, auf Wiedersehen…
…
Schriftwechsel per E-Mail, Eingang am 07.08.2014, eingesetzt am 18.08.2014⇓:
Sehr geehrter Herr Bellmann
Laut unserem Reservierungsplan hatten Sie sich für eine Betriebsbesichtigung im Kernkraftwerk Philippsburg am 22.08.2014 angemeldet. Leider ist bei uns dazu bisher noch keine Besuchermeldeliste eingegangen, ohne die eine Besichtigung nicht möglich ist.
Sollten Sie noch an einer Besichtigung an dem Datum interessiert sein, bitte ich Sie, die beigefügte Liste umgehend ausgefüllt zurück zu senden, da sonst eine Anlagenführung nicht möglich ist.
Mit freundlichen Grüßen
i.A. Christian Milker M.A. Infozentren und Besucherführungen EnBW Infocenter Philippsburg
EnBW Energie Baden Württemberg AG Kernkraftwerk Philippsburg Rheinschanzinsel 76661 Philippsburg
PWirklich drucken? Sparen Sie pro Seite 250 ml Wasser, 5 g CO2, 15 g Holz und 50 Wh Energie.
EnBW Energie Baden-WürttembergAG
Sitz der Gesellschaft: Karlsruhe, Registergericht Mannheim, HRB Nr. 107956
Vorsitzender des Aufsichtsrats: Dr. Claus Hoffmann Vorstand: Dr. Frank Mastiaux (Vorsitzender), Dr. Bernhard Beck, Thomas Kusterer, Dr. Dirk Mausbeck, Dr. Hans-Josef Zimmer
Das kam heute (05. März 2014) etwas plötzlich, hatte nichts vor, leicht bewölkter blauer Himmel, fast 10°Celsius, Regenwahrscheinlichkeit nahe null Prozent, also trocken. In knapp 20 Minuten schafft es die Regional-Verbindung der Bahn von Mannheim² über Lampertheim nach Biblis. Der Ort ruft nicht. Das Kern-, oder anders: Atomkraftwerk, rief.
Als kleiner Hanswurst, für den wir uns natürlich nicht halten, fehlt einem klaro die Zugangsgenehmigung zum Innern des Kraftwerks. Da drin liessen sich mit Sicherheit gewaltige Aufnahmen produzieren, kennen wir doch Mühlheim-Kärlich und den inneren Zustand der Anlage während der Bauphase. Also beschränken wir uns zwangsläufig auf Außenaufnahmen. Sinnvoll erscheint es uns: auf den Betreiber aufmerksam zu machen, siehe Startfoto links oben! Dem Stromkonzern soll es dem Vernehmen nach zurzeit ja nicht allzu gut gehen. Scheffelten die Werksherren nicht jahrelang genug der Knete mit der Erzeugung von Strom durch Atomenergie: Hat man da keine Rücklagen gebildet, um Durststrecken zu überwinden? Was zum Beispiel muss vorhanden sein zum Rückbau der Kraftanlagen? Der kommt zwangsläufig. Ist man darauf vorbereitet? Lässt man einfach alles stehen? Wie sieht es denn in anderen Ländern aus? Die nicht auf diese Art der Energiegewinnung verzichten wollen?
Die Aufnahme eingangs bildet ein Firmenwappen ab, Wappen: auf die auch Städte nicht unbedingt verzichten wollen. Im Fall von Eberbach meinetwegen ein Eber und ein sich schlängelnder Bach oder Fluss. Logos überholen sich mit der Zeit. Und man versucht sich neu abzubilden. Meistens ist das eh nur Einbildung, zumindest eine gewisse Zeit über. Und dann weg damit. Freie Fahrt für eine neue Einbildung! Der Sprachschatz bietet einiges: Atom-, dann Kern-, und weg damit. Hätten nicht bereits vor mehr als einem halben Jahrhundert die Energievorstellungen mit all den vorhandenen Alternativen bevorzugt behandelt werden müssen, statt auf Meiler zu setzen? Manchmal stehen Energiebündel wie Franz Josef im Weg. Und zwei, drei Generationen weiter wird die Rechnung präsentiert: Und keiner will sie übernehmen.
Biblis: eine Ansicht:
Es ist das erste Mal, dass ich Biblis zu Gesicht bekomme, obwohl es nicht sehr weit von Mannheim entfernt ist. Eigentlich ein atomarer Katzensprung. Ein Gefühl der Unendlichkeit stellt sich ein. Bin ich nur die Hälfte wert? Katastrophal! Diese Verringerung der Lebenserwartung um die Hälfte! Alles um das Atomkraftwerk herum ist in Besitz von RWE: Betriebsgelände! Auch der Rhein gehört dem Betreiber. Eine Ausnahme: Der Europa-Radweg R6…Der Radweg radelt ums Werk herum. Eine Einladung zur Besichtigung, ohne Interna: Aber Vorsicht, die erste Grassode bereits ist Privatbesitz. Und Überwachung überall. Das Gelände ist ein Reich aus der Vergangenheit, aus dem Mittelalter der Energieerzeugung und -versorgung.
Vorher gab’s nur Lagerfeuer. Jetzt zeugen wir Burgen der Neuzeit. Wie werden sie über die Jahrzehnte und Jahrhunderte zerfallen? Keiner von uns wird es erleben, keiner schauen in die Welt danach. Uns bleibt die Vorstellung: Sciencefiction. Virtueller Avatar.
Die atomare Welt ist eine Welt der Gewalt. Spricht sie doch von Spaltung. Was für ein Fortschritt. Atomspaltung. Physik. Marie. Krebs. Körperfraß. Je größer die Halbwertszeit, je größer das Fressen. Plutoniums Hunger ist unstillbar. Auf alle Ewigkeit. Immerdar.
Der Weg von Biblis / Bahnhof zum Werk führt über freies Gelände. Man unterquert zunächst die Station der Regionalzüge und erreicht bald den Mersweg. Dann nur noch Ackerbau und Viehzucht. Ein kleines Naturschutzgebiet: Lochwiesen von Biblis. Es soll bedrohte Tier- und Pflanzenarten und ihre Lebensräume erhalten. Die Weschnitz ganz in der Nähe. Am Atomkraftwerk mündet sie in den Rhein. Dort läuft auch das Kühlwasser aus (Mörschgraben). Ein donnernder Überlauf, der das leise Sirren der Anlage verschwinden lässt. Für einen Moment wähnt man sich vor einem rauschenden Wasserfall. Am Sambesi. Machen wir uns nichts vor: Der Überlauf beträgt grade mal drei Meter, höchstens; und ist ein bautechnisches Kunstprodukt. Die Strömung allerseits lebensbedrohlich. Und Eltern haften für ihre Kinder. Nicht umgekehrt.
In diesem Bereich des Radwanderweges R6 ist der Spass verflogen: Keine Zugangserlaubnis zum Rhein, obwohl greifbar nahe. Dafür liegt reichlich Dreck herum. Das stört den Kraftwerksbetreiber wenig. Die Pflege der umliegenden Landschaft ist wohl nicht sein Ding. Da tritt man am besten kräftig in die Pedale. Keine Menschenseele zu sehen. Für Radwanderungen ist es noch zu früh im Jahr. Zum Herumspazieren liegt der Ort zu weit weg, dort treffen sich die Hundebesitzer, nicht am Kraftwerkszaun. Ein Reh hupst auf dem Betriebsgelände herum. Es flieht vor dem unerwarteten Radler.
Wir zuckeln weiter, Stück für Stück, kaum sitzen wir im Sattel, bietet der Meiler seine technischen Raffinessen. Runter vom Sitz, Foto in die Gänge gebracht und geknipst:
Der Energieriese versinkt, je mehr Abstand sich einstellt. Der R6 ist gut ausgebaut, asphaltiert, wie wir zuvor erfuhren. Vom Norden Hessens nach Lampertheim. Wir nehmen die Schlussstrecke des Fernweges, ca. 15 km. Ums Kraftwerk zieht der R6 einen Kreis: Für Super-Neugierige. Das lassen wir besser, wir haben genug, es reicht, wir wollen in die pure Natur und darin die nukleare Technik vergessen. Das klappt ja soweit ganz gut: Ein Hinweis auf Gott überrascht uns nämlich (angebracht auf der Rückseite eines Verkehrsschildes, Foto rechts). Ab hier geht’s in den Bannes, wir fahren auf der Deichkrone, am Fuß der betonierte R6. Wir brauchen Überblick und Sicht, freie Sicht auf Vater Rhein. Reiten und motorisiertes Fahren ist oben verboten. Nicht lange und wir gelangen zur letzten Brücke über die Weschnitz.
Zwei geschwätzige Angler halten mich auf. Sie suchen ihr Angelrevier. Immerhin präsentiert man mir einen Angelberechtigungsschein. Als wäre ich der Freischütz von Weschnitz. Für ein Areal längs der Weschnitz. Ich bestätige ihnen: hier liegen sie richtig, hier dürfen sie angeln. Habe keine Ahnung vom Angeln und ob es in der Weschnitz überhaupt was zu angeln gibt. Dafür entdecke ich einen Wassergüteprüfer (rechts, aus HB, Hanse-Stadt-Bremen, KFZ-Kennzeichen(?)) unter der letzten Brücke über die Weschnitz. Das muss natürlich sofort aufgenommen werden. Befragt habe ich ihn allerdings nicht. Diese verdammt geschwätzigen Angler lenkten mich zu sehr ab. Und ich ließ mich ablenken, da half nur eins: weiter radeln. Einem triefte die Nase, ich gab ihm ein Papiertaschentuch. Vielleicht hätte ich ihn doch portraitieren sollen, mit der laufenden Nase, das fiel mir zu spät ein. Beide schienen mir ein bisschen daneben zu sein. Wieso suchen Angler ihr Angelrevier? Neuankömmlinge? Ich fragte nicht nach.
Die letzte Brücke über die Weschnitz ist Luftlinie circa 1700 m von Zentrum der Atomkraftanlage entfernt. Im Steiner Wald. Der liegt auf der Gemarkung von Nordheim: Steiner Wald von Nordheim. Keine 300 m weiter treffen wir auf einen Graben ohne Wasser. Und ein Wehr. Und eine Hütte. Einsame Gegend, wie geschaffen für einen Märchenfilm.
Kurz danach entdecken wir einen Pfad, der Richtung Rhein führt, ihm folgen wir, es ist matschig, was uns wenig stört und machen am befestigten Ufer eine Panorama-Aufnahme vom Fluss:
Vier Bilder vom gleichen Gehöft in unserer Heimat, Bild 1: Steht eine Explosion bevor…??? Bild 2: Papamobil…??? Bild 3: Noch leben wir…!!! Bild 4: Ausrangierte Autoreifen für die Landwirtschaft…!!!
Irgendwann muss Schluss sein mit Geschreibsel. Wir radeln kurz vor Lampertheim und heruntergekommene Landwirtschaft begleitet uns allenthalben. Da kommen wir doch noch am Reichtum vorbei: Was für ein Glück!!!
Wir lassen es gut sein. Mögen WIR verschont bleiben von Unbill unkontrollierter Kettenreaktionen, die unbeherrschbar……………………………………..