… Irgendwann anfangs 2000 packte mich wohl der Rappel. Im Lexikon steht dazu: „unvermittelt auftretende (vorübergehende) innere Verfassung eines Menschen, aus der heraus er auf verrückte, absonderliche Gedanken kommt und Dinge tut, die anderen unmotiviert, abwegig erscheinen“.
Frankreich
Das Leben im langweiligen Edingen verlor von Tag zu Tag immer mehr an Farbe, Tristesse gewann die Oberhand und von Grautönen wollte ich mich nicht beherrschen lassen: War ich doch im Malerischen als bunter Hund bekannt, was leicht nachvollziehbar in Präsentationen meiner farbstrotzenden Gemälde war. Also liess ich mich vom Rappel besiegen, schwang mich aufs Mountainbike, fuhr zum nächstgelegenen Bahnhof und verschwand, die Vogesen umgehend nach Epinal, wo ich mich auf die Rad-/Bus-/Zugreise nach Marokko machte.
In Frankreich existiert nicht ein Ort, der nicht von Messtischblättern erfasst wäre:
Die sind zwar teuer, damals so um die zwölf DM, zum Wandern und Radtouren aber hervorragend geeignet. Ein Zentimeter auf der Karte entspricht meist einem Kilometer in der Natur, da fährt es sich geschwind durch die Topografie und plötzlich erscheint wie aus dem Nichts: LANGRES! Dazwischen Charmois, Darney, Saint-Julien, wo ich eine Nacht in einem Gasthof verbrachte, die zweite Übernachtung nach Epinal. Von Saint-Julien aus – sehr gut und ausgiebig gefrühstückt – erkor ich Langres als Ziel. Bei einer solchen Reise kann man ja rumkurven wie man will, so als wäre man überhaupt nicht da: Und wenn man überhaupt wahrgenommen wird, dann als Verrückter mit Gepäcktaschen auf den Hinterrad.
Am Ufer des Stausees La Liez ou de Lecey kneipte ich und liess alle Viere grade sein, so gelangte ich am 22.09.2000 (dieses exakte Datum entstammt der Karte N° 29 des IGN (Institut Geographique National), auf der ich es einst notierte) spät am Abend bzw. in der Nacht erst nach Langres⇓:
Okay, ich fand einen Platz zum Pennen, speiste zur Nacht und rollte mich in meinen Schlafsack. Noch einen Schluck Rotwein, Augen zu und durch!
In Auberive gefiel es mir ausnehmend gut, weshalb ich fast den ganzen Nachmittag dort verbrachte. Der ortsansässige Sportwart und seine Frau luden mich ein und die Nacht verbrachte ich in der Umkleide des Fussballclubs. Hart. Und weich zugleich – die überaus schöne Tochter des Sportwartpaares verkürzte mit Kurzweil die lau duftende Nacht. Info: André Theuriet …!
Nun gut, ich mühte mich am darauffolgenden Morgen nach Grancey Le Chateau⇓:
So langsam bekam ich die Flatter vorm ewigen Gestrampel, das ist Mühsal pur, auf Dauer wird’s besser, man steigert die Tagesleistung! Nicht bei mir: gemach! Also erstmal in aller Ruhe nach Fleurey-sur-Ouche. Die Nacht, Mann so mies, so schlaflos, so voller Gedanken an die Schöne aus Auberive. Es gibt immer eine Chance: In diesem Fall verdrängen, vergessen, weiter … oder zurück?
Ich trat in die Pedale, BEAUNE, Zug, Kilometer, weg, fort in Richtung Marokko …
27.09.2000:
Was liess ich nicht alles hinter mir, sogar ST-ETIENNE rollte vorbei.
Ziel war LE PUY-EN-VELAY!!!
In LE PUY traf mich der Schlag, so etwas wie ein Herzkasper, und ich wollte doch nur Bier trinken, meinen Durst löschen, „déshydratation?“ meinte ein kuratierender Psychologe. Ich zischte mein Bier, bestellte ein neues und fotografierte; analog, heute (07.11.2016) fotografiere ich wieder, die Abzüge der Aufnahmen, die ich damals gemacht habe. Vom Kurator gestattet, von mir wiedergegeben:
Auf einer Info-Tafel stand u. a. zu lesen:
L’exposition que vous pouvez découvrir présente quelques uns des thèmes abordés cette année à l’atelier peinture, sous la conduite de Cécile GIRAUD, plasticienne.
Une quinzaine d’enfants y participent régulièrement par petits groupes et tentent 〈…〉
WIR RADELN NACH: St-Privat-d’Allier
Es ist ja nicht weit von Le Puy bis dorthin. Das mache ich mittlerweile locker. Obwohl, es geht schon hoch und runter. Bin aber zwischenzeitlich prächtig konditioniert. Radeln macht Spass und Freude, wenn man keine Qualen leiden muss. Ein wenig Anstrengung darf sein.
Frankreich, ja eben, Frankreich.
Ich hätte die Schweizer Route nehmen können, doch sie war mir zu alpin. Mit Frankreich freunde ich mich langsam an, es wird noch werden. Das Wetter ist hervorragend, gut warm, mein Rad funktioniert und vom Muskelkater anfänglich ist fast nichts mehr zu spüren.
Und schon bin ich in Saugues:
Von Saugues nach Rimeize
Manchmal verfährt man sich halt!
↵ Saint-Come-d’Olt
Viviez
Kurze Wegstrecken-Infos der vergangenen Tage: Saugues – Rimeize – Saint-Come-d’Olt – Livinhac-le-Haut (13. Übernachtung) ➨ Viviez, die Irrfahrt hat ein Ende und ich kann wieder nüchtern kalkulieren. Mir ist so richtig nach Zug und einem Ende der sich einstellenden Strapazen, mit 54 und untrainiert ist so Mancherlei ziemlich irrwitzig, frage mich: Viviez, wieso verschlägt es mich nach Viviez? Klaro, der Ort besitzt einen Bahnhof: @REGIONALZUG, ich bummle nach Perigueux!!! Der Atlantik ruft, ich höre den Wellenschlag, die Brandung.
Perigueux ➧ Bordeaux ➧ Arcachon ➧ … alles per Eisenbahn! Und dann: mit dem Rad von Arcachon nach Biscarrosse und Mimizan, Saint-Julien-en-Born, Vieux-Boucau-les-Bains, immer schön der Küste lang.
Ich lasse den Gare d’Arcachon hinter mir liegen und nehme die D218 längs Pyla sur Mer zum Anschluss an die ‚Route d’Arcachon à Biscarrosse. Schlafe in den Dünen, campe im Wald. Zwischendurch immer wieder Steps an die Atlantikküste, Kneipp, Schwimm, Körperpflege – Süsswasser im Vorratsbehälter! – Fünf Liter!
Hier einige Aufnahmen von der Atlantikküste:
Die letzte Aufnahme bezieht sich auf Bayonne, wo ich nach einigen Tagen und Kilometern für eine Übernachtung anhielt, um tags darauf nach Spanien – Bilbao – zu verschwinden.
Empfehlung: Der Weg von Arcachon nach Bayonne war für mich äusserst vergnüglich, zumal mit Käse, Weissbrot und Rotwein am Strand bei Sonnenuntergang! Eine herrliche Radtour! Schön flach vor allem. Dazu zwei Fotobelege:
Ab Bayonne / Biarritz wird’s für Radler vergleichsweise zur vorherigen Strecke reichlich ungemütlich – too much traffic. Wie das heute ist, 16 Jahre später: keine Ahnung. Jedenfalls plante ich eine Zugfahrt von Bayonne über San Sebastián nach Bilbao, um diese bevölkerungsreiche Ecke im Südwesten Frankreichs und im Norden Spaniens zu umgehen. Verständlich, liegt doch der Golf von Biskaya vor der Haustür.
BILBAO / Spanien
So um die Jahrtausendwende befand sich die nordspanische Stadt nach wie vor im Umbruch. Jedoch: der Durchbruch war geschafft. Mir blieben ein paar Fotos von meinem Ortsbesuch und zeige diese in abfotografierter Form (Analogvorlagen, farbige Abzüge) digitalisiert; dass das Guggenheim-Museum alles dominiert, ist wie immer bei solchen architektonischen Highlights kein Grund andere Wichtigkeiten auszusparen, mir blieb wenig Zeit, ich bin auf der Durchreise:
Kulturell hat sich Bilbao zu einer Kulturweltstadt gemausert, das belegen gewiss die vier obigen Bilder. Und dazu die Dependance von Guggenheim⇓:
Zuvor noch ein kleiner Abstecher nach Getxo:
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In Bilbao bestieg ich den grossen Bus nach La Coruña, wo ich spät abends in einer Kneipe speiste, um mich zu stärken, denn in La Coruña wollte ich nicht bleiben. Wie ich über Punta de las Olas und Caion, wo ich an einer Landspitze im Hafengebiet nächtigte, nach Cee (Provinz A Coruña) kam, ist mir heute ein Rätsel und erschliesst sich mir nicht mehr! War nicht der Jüngsten einer! Wollte ich ja zur Costa da Morte. Das Problem in Spanien war für mich das Kartenmaterial und meine analoge Reiseweise. Also radelte ich quer durch Galizien und liess die Westküste rechts liegen.
Cee
Zu meiner himmelschreienden Schande muss ich gestehen, dass mir von Cee nichts, aber auch gar nichts geblieben ist, keine Erinnerung an was weiss ich für welche Ereignisse, Gespräche mit Einheimischen? – Unterbringung? – Gedanken? – Planungsspielchen? – ja Gott, was weiss ich: nur ein paar Bilder blieben bestehen!!! ⇓ Und nicht mal die helfen mir auf die Sprünge!!!
😇 😳 😰
Mein Drahtesel
Das glaubt mir wahrscheinlich keiner: es ist die schlichte Wahrheit!
Nun, wir schleichen uns von dannen und steigen in den Überlandbus nach Santiago de Compostela. Dort kurze Station, Wartezeit für den nächsten Bustransfer nach Porto. Santiago faszinierte mich überhaupt nicht, zu viele Rucksacktouristen, zu viel gläubige Substanz. Zu viele wässrige Blasen, zu viele ungewaschene Füsse, zu viel Schweiss …
Porto: falls mir in diesem Leben und keinem anderen noch einmal die Kraft und die Moneten gegeben sind: dann Porto, ein Jahr Porto!
Es folgt ein Sammelsurium von Aufnahmen, danach geht es weiter nach Lissabon …
…
💑❤️👙♥LISBOA♥👙❤️💑
eine DIA-Show
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Lisboa → Setúbal
Von Setúbal mit der Fähre nach Praia de Troia
Zwischen Troia und Comporta
Ein Blick ins Reserva Natural do Estuario do Sado
Von Comporta nach Alcázer do Sal
Grandola
Über Santiago do Cacem nach Vila Nova de Milfontes
Cabo Sardao
Im Niemandsland
…
Morgen geht es weiter …
Vermisse Unterlagen, vor allem Fotos, ebenso Landkarten???!!!
🚲Schock🚲
Von Aljezur über Bensafrim nach Lagos.
Über die Südküste Portugals existieren Berichte!
In Lagos nahm ich mir einen Leihwagen und durchfuhr das Landesinnere
bis nach Vila Real an der Grenze zu Spanien.
Schade, Südspanien, Nordmarokko: keine Unterlagen.
Wir springen in die Umgebung von Safi an der marokkanischen Atlantikküste.
In der Umgebung von Safi kam ich für einige Tage bei gutgestellten Landwirten unter. Abdu hatte die Führung übernommen, er brachte mich nach Chraga.
Abdu versorgte meine Wäsche und wir spazierten durch Safi.
Danach machten wir uns auf zur Familie, hier die Oberhäupter:
Kaum da begannen wir mit der Hängung von Zivilisationsfrüchten,
L’arbre avec les fruits de la civilisation:
Ein abschliessender Blick in die landschaftliche Stille
Verdammt und zugenäht, wo finde ich Chraga, wo Tnine-Rhiate?
Wo Souk Hebdomadaire Lundi et Thine Riate?
Nun, ich lasse es sein! Ich finde nicht. Ich lasse das Mausoleum sein, den Kunstbaum sein, die Ackerfurchen, die Landschaften, die wilden Müllkippen sein, die Landarbeiter und Tagelöhner sein, den Boss und den Fuhrpark sein und bin plötzlich in Essaouira! Es erleichtert die Arbeit, betrachtet man die Dinge als nicht so von entscheidender Bedeutung. Obwohl: es kitzelt in einem fort, doch der Kitzel ist wie ein kitzeln mit einem Stroh- oder Grashalm in der Nase und mit einem Niessen ist der Kitzel weg. Jetzt ist der Kitzel weg. Dafür kitzelt nun Essaouira! Das bedeutet: Ich blättere in meinen Alben aus dem Jahr 2000 und verzichte auf die Wiedergabe von Aufnahmen aus diesem Radjahr und stelle die 16 Jahre später gemachten Bilder von Essaouira in den Vordergrund. Ich enthalte mich der fotografischen Wiedergabe eines Teppichhändlers, einer Schaufensterpuppe, ich lasse die Restaurants und die Katzen sein, die natürlichen Wellenbrecher, den Hafen, das Naturschutzgebiet südlich von Essaouira, den Handwerksmeister mit seinem strickenden Gesellen, die Strassen und Räder der Stadt, den Fischmarkt sein und begebe mich zu einem Autohändler. Ich brauche ne Karre, um in den Süden von Marokko Richtung Mauretanien zu fahren.
Kurze Wegbeschreibung, dazu in der Folge die Bilder:
Essaouira➤Taghazout➤Agadir➤Tafraoute➤Anti-Atlas➤Tiznit➤Guelmin➤Fask➤Assa(militärische Sperrzone)➤zurück nach Fask➤Richtung Tan-Tan➤Im Hotel von Tan-Tan➤vor der Westsahara(Polisario)➤über die N1 zurück nach Agadir➤Taroudannt➤Tata(R109)➤Foum-Zguid➤Tazenakht➤über Anezal nach Amerzgane➤Anti-Atlas/Hoher Atlas➤über die N9 nach Marrakech➤von dort 170 km nach Essaouira➤Pause➤Route côtière, ein Stück Richtung Safi, danach zurück nach Essaouira➤Rückgabe der angemieteten Karre!
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