Reisen ins Umland: LAUTERBOURG / La Gare / FRANCE

Die Städte Lauterbourg und Wissembourg, knapp zur Grenze zum Deutschen Rheinland-Pfalz auf Französischem Boden gelegen, bieten genau das, was Frankreich auch heute noch bestimmt: »Laissez faire«. Wir machen so gut es geht und beginnen mit der Arbeit. Wir sind früh vor Ort, um 10:22 Uhr am 21.05.2014 haben wir die erste Aufnahme im Kasten. Bahnhof ist Ankunft. Ein- bzw. Anreise. Da finden sich die Gedanken in anfänglichen Einschätzungen, das prägt die Befindlichkeiten meist über mehrere Stunden hinweg. Radelt man, kaum angekommen, gleich weiter, fehlt oft den ganzen Tag über die Bindung zur Örtlichkeit. Bahnhöfe sind uns Wohlbefinden: oder man kehrt besser umgehend um. Der Bahnhof von Lauterbourg ist einsam. Ihm fehlt die hektische Betriebsamkeit der Knotenpunkte.

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Société nationale des chemins de fer français
Société nationale des chemins de fer français

Ruhe und Stille herrschen. Lange Zeit keine Menschenseele. Einmal in der Stunde fährt der Zug zurück nach Deutschland, nach Wörth. Dort stiegen wir in aller Gemütsruhe um. Der Bahnhof Wörth wird saniert. In Kürze entspricht er dem Grundmuster der überall sichtbaren Erneuerung. Modernisiert eben. Kein Flair mehr.

Da ist die Ankunft in Lauterbourg charakteristisch für überkommene Höfe und man fühlt sich in Vergangenes und gleichzeitig Gegenwärtiges fast hineingeworfen. Die Vorgänge und Entwicklungen aber ähneln sich: Dem Bahnhofsgebäude fehlt die ihm entsprechende Nutzung, die ja mal vorhanden gewesen sein muss, sonst hätte sich kein Baumeister damit abgegeben. Leerstand.

Wer fährt schon nach Lauterbourg? Unweit vom Bahnhof befindet sich die Freizeiteinrichtung Bassin des Mouettes. Ein Reiseziel für junge Leute. Wir nahmen erst die gleiche Richtung, dann wurde es uns vor lauter Jungvolk zu bunt. Und drehten um. Zum Zentrum.

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Garage des Bahnhofsvorstehers
Garage des Bahnhofsvorstehers?

Mit Blick zum verlassenen (?) Stellwerk. Ein Einmannbetrieb? Ein Häuschen, das uns an ein Bahngebäude in Neustadt erinnert. Ein wenig. Das hier geschah aus der Ferne, per  Zoom. Später radelten wir noch mal dran vorbei. Die D3 zusammen mit der D248 queren am Stellwerk die Bahnanlagen. Von dort aus spielten wir später den PedalRitter zum Port du Rhin, dem Hafengebiet von Lauterbourg. Eine interessante Begegnung, wenn wir zum Beispiel an den Mannheimer Hafen denken. Bautechnisch wiederholt sich auf dieser Welt so einiges. Nicht nur in Häfen. Sozialer Wohnungsbau, Villen von Grossunternehmern, Zeltstädte von Protestierenden, von Flüchtlingen aus Kriegs- und Armutsregionen, Klassizismus, Art Deco, Jugendstil… China ist der grösste Wiederholer von Bausünden. Je höher desto bevölkerungsreicher. Wüsten aus Stahlbeton. Lauterbourg bewahrt sich Persönlichkeit, von Massen nichts zu sehen, nur junges badelustiges Volk aus der näheren und ferneren Umgebung.

Joseph Hemmerlé
Joseph Hemmerlé
Die Katholische Dreifaltigkeitskirche
Die Katholische Dreifaltigkeitskirche

Das Zentrum kommt anders daher. Innenstadtsaniert. Autos willkommen. Ruhezonen in Nebenstrassen. Stangenweiss allgegenwärtig. Wenig los für einen späten Mittwochvormittag. Joseph Hemmerlé, ehemaliger Bürgermeister von 1955 bis 1995, begegnet uns in Form einer Bronze, hervorragend plaziert mit Blick auf den Turm der ÉGLISE DE LA SAINTE TRINITÉ (von der Büste verdeckt) aus dem 15. Jahrhundert am Platz der Republik. Durch Brand zerstört: 1678. Wiedererrichtet. Erneut eingeweiht nach fünfjähriger Bauzeit. Anfang des 18. Jahrhunderts Abriss. Wiedereinweihung am 29.06.1719. Portalinschrift (siehe grosses Foto↓): ›Hier stehe ich durch die Gnade Gottes, die Gunst des Friedens und die Hilfe der Stadt.‹ Ein gnadenreiches Zusammenspiel des Himmels, der Erde und der friedliebenden Menschen. Wir schöpfen und bilden und zerstören nicht! Das müssen selbst heute noch, trotz üblen historischen Erfahrungen, viel zu viele lernen. Da sind wir mit EUROPA in eine glückliche Phase von Frieden und Wohlstand eingetreten; und weshalb, so stellt sich die Frage, passt das manchen Europäern nicht? Rückwärts gewandt? Respektlos? De Gaulle würde sich im Grabe umdrehen, auferstehen und eine gewaltige Pro-europäische Rede halten, Kohl und Mitterand ihm nachfolgen, und die Kleinkrämer würden sofort verstehen, um was es eigentlich geht: Aussöhnung, Freundschaft, Friede, Verständnis, Respekt, Zuwendung und so weiter und so fort… Think positiv…

Inschrift über dem Portal der Dreifaltigkeitskirche in Lauterbourg
Inschrift über dem Portal der Dreifaltigkeitskirche in Lauterbourg

Folgende Mitteilung (Spam) erreichte uns am 22.07.2014: »Normally I do not learn article on blogs, but I would like to say that this write-up very compelled me to take a look at and do so! Your writing taste has been amazed me. Thanks, quite great post.« Eitel, wie wir sind, wurde der Kommentar komplett gelöscht: Bis auf den übermittelten Text! So bleibt der Schreiber anonym!

Am 10.09.2014 strandeten wir wieder am Bahnhof zu Lauterbourg⇓:

Train à grande vitesse ...
Train à grande vitesse …

Au revoir!