22.09.2022, 22.22 Uhr
Ich, Alfons gestern bei Kumlinde in H. angekommen. Angereist.
Vorhaben: ein Engagement im Haushüten. Na ja, gießen und so, wie schon immer bei solchen Anlässen, was sonst. Kumlinde geht wandern. Bad Sowieso. Spitzen erklimmen mit Führer. Zwei Wochen Zweisamkeit mit Führer. Immerhin fürs Hüten: Kost und Logis für mich frei. Und Reisekostenerstattung, billiger geht’s nicht. Dazu das Angebot eines herrlich sprießenden Naturgarten mit angrenzenden Gemüsebeeten, Rückzugsecken zum Schreiben, Ruhe, Stille, keine nervigen Nachbarn, Häuser überall, Schlafstadt, urlaubsbedingte Abwesenheit: Einbruchszeit. Weswegen der Haushüter – Alfons, ich – eine kostenlose Erholungszeit mitten dichter Wälder verbringt. Ca. zwei Wochen. Radnutzung inclusive, funktionstüchtig! Prima.
Heute morgen hat sie die Flatter gemacht und Alfons bleibt zurück in der meist menschenleeren Umgebung. Kumlinde sucht ihre Wege, steile Wanderwege. Bin neugierig wie lange sie das durchhält. Läuft sie sich Blasen? Stürzt sie ab? Wird sie in Gottes freier Natur geliebt, gibt sie sich ihrem Führer hin? Hat sie Heftpflaster mitgenommen? Kondome zur Vorbeugung, keine Sexualkrankheiten bitte. Sie wird sehen, wo sie bleibt.
Bei Alfons kehrt Ruhe ein, nicht nur äußerlich. Für Alfons’ Empfinden herrscht eine höllische Hitze. In der Hauptsache während der Mittags- und Nachmittagszeit. Da zieht sich A. ins Haus zurück und macht so seine Spaziergänge im Schatten der abgedunkelten Räume und relativer Kühle, der Ventilator rotiert. Und Kumlinde muss wandern, mit zwanzig Kilo auf dem Rücken, A. fällt bereits bei dem Gedanken an die Strapazen in Ohnmacht, aber sie, sie will sehen: zu was sie noch fähig ist. Viel Glück und gesunde Wiederkehr. A. gibt sich der Siesta hin.
Schlafen, schlafen, heute schon dreimal geschlafen. Erholung pur, Stille, nach dem Ausschlafen Kaffee mit Schokoladen-Kekse, Zahnschmerzen.
Kumlinde dachte weit voraus, jedoch an A.’s unstillbaren Appetit, Hunger und Fresslust nicht. Was ist zu tun in dieser brüllenden Hitze und regenlosen Zeit? Die Natur lieben, die Pflanzen gießen, früh morgens und spät am Abend, regelmäßig, nicht dass sich ein Donnerwetter einstellt. Manchmal ernten: Basilikum. Mitten in der wilden Wiese wächst ein Termitenhügel heran – ja das wär’s, wenn es sich nicht um Ameisen handelte.
A. kaum einen Tag bei Kumlinde und A. langweilig sich deftig. Manchmal laufen Gießkannen voll. Blubbernde Wassergeräusche, durstige, trockene Erde. Niemand da. Ein Motor röhrt vorbei. Plötzlich fremdländische Sprachfetzen aus Nachbars Garten, Telefongespräche mit dem Kaiser von China.
Die Terrasse, wo A. sitzt, wird zur Beobachtungsstation: Schmetterlinge, Bienen, Wespen, Hornissen, Jungvögel, Spinnen, keine Mücken. Deutschlands demokratisch freies Zwergenland. Gartenzwergen-Land. Wer ist Rudi? Ein Anruf für Kumlinde. Das Lavendel wird oft angeflogen! Ein Nachbar schräg gegenüber versteckt hinter dem ganzen Gebüsch und Grünzeugs, befindet sich auf Augenhöhe: Gegenseitige Beobachtung. Zwei verliebte Tauben hoch am Himmel. Ein Kondensstreifen. Und ein Urschrei für die Stille. Ein Köter kläfft.
Tags darauf den lieben Garten – Kumlindes Ein und Alles – versorgt, 30 min, ab 6:00 Uhr. Unkraut gejätet.
Erste Erkundungen mit dem Rad. Zur modernen Jugendherberge; sieht aus wie ein Hotel ersten Ranges. Waldweg aufgenommen. Durch den Forst gekurvt, Kneippkur an einem Rinnsal. Zurück zur Veilchenstrasse. Frühstück. Danach wandern? Keine Lust: zu heiß! Schlafen.
21: 00 Uhr: Garten komplett mit H2O volllaufen lassen. Kein Mangel feststellbar, gut gewässert! Morgen früh kann man es mal sein lassen. A. will ins Dorf runter zum Einkaufen. Bäcker, Metzger und so. Sich im Kaff umschauen, fotografieren und mit den Leuten babbeln. Herum radeln und Eindrücke und Erkenntnisse sammeln.
Heute den ganzen Tag verpennt: Magen-Darm-Geschichte. A. verträgt Kumlindes Kost nicht. Die Kürbisse lassen die Blätter hängen: ein Schwall Wasser hilft für die Auferstehung. Abendstimmung. Die Chinesen nebenan sind lustig, der Kaiser kündigte seinen Besuch an. Die Rollläden gehen.
A. wieder sechs Stunden in der Wohnung. Sommerhitze, 35°C, gegen Mittag von einer morgendlichen Rundreise zurück. Abgekämpft, ausgelaugt.
Um 7:30 Uhr im Kaff – Bäcker, Metzger. Dampfnudel, Brot, Salami, Krakauer mit Kümmel, Fleischkäse. Zurück den Hügel hoch, schnell noch ein Frühstück. Vorbereitungen als ginge es zur Zugspitze. Über Trampelpfad zur Jugendherberge. Die Landstrasse lang bis zum nächsten Abzweig. Keiner hält, so unmißverständlich meine Zeichen auch sein mögen. Kurz vor dem Ziel werde ich aufgegriffen, keine zwei Kilometer mehr. Kurzes Gespräch mit dem Fahrer, rein in die Karre, raus aus der Karre. Am Leinbach entlang zurück ins Haus, vier Stunden Fußmarsch. Hunger, müde, essen, schlafen, essen, pennen, 18:00 Uhr.
Zwei Tage darauf: A. stirbt vor Müdigkeit. Hunger nagt. Magen und Darm noch mehr verstimmt; die letzten beiden Tage auf das Äußerste. Am dritten Tag legte sich die Notdurft und das Gehetze zur Toilette war vorbei. Manchmal will A. ne Zigarette rauchen.
Blitz und Donner, ein Gewitter ohne Nass. Ein Schauer wäre nicht schlecht gewesen, hätte A. sich doch die nervige Gießerei sparen können. 09:00 Uhr: endlich ausgiebiger Regen. Wie fast immer, so heute: Zeitvertreib durch Kochen, viel trinken, schlafen, Nutz- und Wertlosigkeiten. Guten Appetit. Schaue den jetzt immer stärker werdenden Regengüssen zu, reichlich Bewässerung, alles grünt.
Morgen fährt A. nach Rock …
A. fährt nicht nach Rock … Er trampt zum Kaiser nach Lautern, nein, er nimmt das Rad wie vor Urzeiten alle Chinesen. Ja, A. besuchte den Kaiser in Lautern am Vormittag, kam ihm vor wie in Knielingen, einem Ortsteil von Karlsruhe.
A. radelt einkaufen. Für Samstag bei Roller in T.-moschel angekündigt. Per Teletext. A. auf der Terrasse hat die Notizen neben sich gelegt – vielleicht passiert ja was oder es fällt ihm etwas ein, so mal mit dem Kaiser von Lautern weiter plaudern bis in die späte Nacht hinein …
A. langweilt sich bis zum Erbrechen. Aber morgen T.-moschel. In der Pfalz läßt sich doch gut trampen, positive Erlebnisse der letzten Touren, eine neue Entdeckung. Mal gucken, was die Fahrt nach T.-moschel bringt. Die Strecke ist ätzend: Fischbach, Enkelbach, Mannweiler, Langmeiler, Windweiler, Schweizweiler, Innweiler, Dörrenbach, Dörrenmoschel, T.-moschel!!! Fast alle Ortsnamen wurden von fremder Nation gehackt! Die Russen, die Chinesen?
Nach dem Tripp nach T.-moschel befindet sich A. wieder in der Villa. Er verbringt den Tag zuhause bei Elementarteilchen.
Fünf Tage später taucht Kumlinde wieder auf: strahlend vor Glück und braungebrannt.
Wie mag es ihr ergangen sein, keiner weiß es, nur sie, ihr Bergführer und die Welt da draußen.