Franz Schömbs beschreibt man am besten als „Avantgardist, der zwischen allen Stühlen sitzt“. Denn als er in den 30er Jahren überlegt, Filme als Medium der Malerei zu nutzen und versucht, mit Filmavantgardisten wie Walter Ruttmann, Viking Eggeling und Hans Richter Kontakt zu bekommen, verlassen diese gerade Deutschland und gehen ins Exil. Und nach dem Krieg wollen die Menschen in der Kunst – und auch daheim – „die heile Welt“ und sind avantgardistischen Ideen nicht sehr aufgeschlossen.
Als in den späten 60er Jahren Gruppierungen entstehen, die den Anspruch erheben, neues, radikales Kino zu machen, z.B. mit dem Oberhausener Manifest, ist Franz Schömbs schon zu alt, bzw. hat sich zurückgezogen.
Also sitzt er sein ganzes Leben lang zwischen den Stühlen und seine Ideen für Film und Oper und auch seine philosophischen Essays werden leise belächelt – es nimmt ihn keiner richtig ernst: Und nur wenige erkennen sein Potential.
Doch der Reihe nach: Der Maler und Filmemacher Franz Schömbs kommt aus Mannheim. Er ist 1909 in T3, 6 geboren, wächst aber in der Pfalz auf und kommt nach einem Studium an der Kunstakademie in Karlsruhe und der Meisterschule für Grafik in Kaiserslautern mit seinen Eltern 1936 wieder zurück nach Mannheim.
Was ihn als Maler beschäftigt, ist das Sichtbarmachen zeitlicher Abläufe und der Bewegung in der Malerei. Und dafür entwickelt er auch ungewöhnliche Bildformate für seine abstrakte Malerei.
Zum Beispiel die sogenannten „Springwerke“ – Bilder, die nach rechts und links aus dem Rahmen springen. Wer möchte, kann gerne die katholische Kirche St. Konrad in der Mannheimer Siedlung Casterfeld besuchen. (Ein Springwerk aus dem „abstrakten Altar“) Dort hängt eine Arbeit, die aus vier solchen Springwerken besteht. Hier ein Ausschnitt. Oder eine Arbeit, die im Depot der Künstlernachlässe gut verwahrt ist: Erato XX (1952/56) – von den Kindern zärtlich die „Mondschaukel“ genannt.
Um 1955 entsteht auch das Inbild und wird in der Galerie Probst im Mannheimer Schloß ausgestellt. Das Bild, als Kugel geplant, in der sich der Betrachter aufhält und sich ganz dem „raum-zeitlichen“ Eindruck hingeben kann, wird aus finanziellen Gründen nur als Zylinder von 5m Durchmesser, 16m Länge und 2m Höhe realisiert. Das Bild steht so, dass der Betrachter hineingehen und herumlaufen kann.
Letztendlich – was bei diesen Malexperimenten naheliegt – landet Franz Schömbs beim Film als Medium für seine Malerei und erfindet ein eigenes Aufnahmeverfahren. Er experimentiert schon in den 30er Jahren mit Filmmaterial. Bemalt es, kratzt in die Negative hinein. Seine abstrakten Filmversuche lässt er vorsichtshalber in einer biologischen Versuchsanstalt entwickeln, damit er mit den nationalsozialistischen Machthabern nicht in Kontakt kommt. Denn wer in dieser Zeit abstrakt malt, ist gefährdet.
Seine frühen Filmversuche und alle seine Arbeiten werden bei einem Bombenangriff in Mannheim 1943 zerstört.
Nach dem Krieg macht er sich sofort wieder an die Umsetzung seiner Ideen. Da ein Trickfilm immer noch zu teuer ist, erfindet er ein eigenes Verfahren. Er bemalt lange Bildstreifen mit einer mathematisch genau berechneten Abfolge von Formen und Mustern, die werden über einen Kasten gekurbelt, in dessen Mitte eine Kamera sitzt und ein Spiegel, der die Bildstreifen mischt.
Der Prototyp für seine Ideen entsteht 1948 in seinem Atelier im 4. OG in der alten Sternwarte Mannheim. Es ist ein kurzer 8 mm-Film, der „Opuscula“ heißt (opusculum – bedeutet kleines Werk). Der Film, der nur wenige Minuten Länge hat, ist eine farbige Bewegungskomposition abstrakter Motive, die sich gegenseitig durchdringen. Mit diesem kleinen Film geht er auf Reisen, sucht Sponsoren für seine Ideen und hält Vorträge. Auf dem Portrait-Foto ganz oben sieht man ihn in seinem Atelier in der Sternwarte mit einem der Filmstreifen.
Seit August 1947 lebt er mit seiner Familie im damaligen 4. OG in der Sternwarte, die Miete beträgt 25 Reichsmark. Im Frühjahr 1948 (17. April, siehe Kommentar am Ende des Artikels) hat er geheiratet und im November 1948 kommt die erste Tochter zur Welt, 1950 die zweite. Die Sternwarte ist nach dem Krieg nur notdürftig saniert: In einer zusätzlichen Vereinbarung zum Mietvertrag schreibt er handschriftlich, was noch an Instandsetzung zu erfolgen hat: „Fenster zu erneuern, Raum zu verputzen, Türe einzusetzen, Dach wasserdicht machen.“ Das Waschbecken – ein alter Wasserstein aus seinem Atelier im Schloss wird mit dem Kran in das 4. OG gehievt, als die Stadt die Plattform instand setzt.
Das Leben dort ist hart, aber die Familie ist glücklich.
Franz Schömbs, der auch an der Freien Akademie unterrichtet, bekommt in seinem Atelier viel Besuch von Studenten und Künstlern. Es wird diskutiert, Konzepte werden entwickelt, über Kunst- und Kulturpolitik debattiert. Damit es den Künstlern wirtschaftlich besser geht, gründet er mit Hanns Heinrich Palitzsch 1951 die Künstlergruppe „Mannheimer Quadrat“ (Katalog Mannheimer Quadrat). Dazu gehören u.a. Gustav Seitz, Rudi Bärwind, Paul Berger-Bergner, Carl Trummer u.a. Man organisiert zusammen Ausstellungen, Vorträge und versucht das Publikum an die „abstrakte Kunst“ heranzuführen, von der es über 10 Jahre abgeschnitten war. Schömbs hält über seine Ideen und Arbeiten Vorträge in der Kunsthalle (dort stellt er 1947 aus). Aber die Reaktion des Publikums ist enttäuschend. In seinem Tagebuch notiert er: „Das Publikum war verblüfft und verstand nichts. Nicht nur, dass die meisten zum ersten Mal abstrakte Bilder sahen, jetzt sollte nach der Abstraktion und mit ihren Formen ein neues Bild einer neuen Wirklichkeit geschaffen werden. Diese Reaktion wiederholte sich in den folgenden Jahren immer wieder. Das Publikum musste erst die Abstraktion kennen lernen, bevor es darüber hinausgehen konnte. Für die Künstler galt dasselbe, nur dass sie sich noch ablehnender verhielten.“
Viele Kunstwerke verkauft er nach dem Krieg nicht. Im März 1949 bittet er das erste Mal die Stadtkasse Mannheim um die Stundung der Miete: „Ich habe seit der Währungsreform nichts eingenommen, da für künstlerische Dinge kein Mensch mehr was übrig hat.“
1957 zieht er mit seiner Familie nach München.
Der Besitzer des Filmverleihs „Unda-Film“, plant einen Film über den aktuellen Stand der deutschen Filmkunst. Dazu werden mehrere Kurzfilme durch eine lose Rahmenhandlung verbunden. Der Film „Maya“ hat seine Premiere im Februar 1958. Schömbs Beitrag heißt „Geburt des Lichts“. Dafür entwickelt er sein Aufnahmeverfahren weiter (Abbildung zeigt den Integrator, über den die Bänder gezogen werden). Für 10 Minuten Film werden Bildstreifen von 250 qm hergestellt und bemalt. Die Muster und die Figuration werden auf den Streifen aufgezeichnet und mit genau vorgegebenen Farben ausgemalt (Abbildung – eine Studentin hilft und malt die Streifen aus).
Der Film erhält schlechte Kritiken. Die einzelnen Filme werden entkoppelt und laufen als „Kulturfilme“ vor dem Hauptprogramm. Das Publikum reagiert äusserst schockiert über „Geburt des Lichts“ und äussert sein Missfallen in Pfeifkonzerten. In vielen Kinos läuft der Film nicht einmal über seine ganze Länge – und das sind nur 10 Minuten.
Schömbs stört das alles weniger und entwickelt die Idee zu einem Tanzfilm – als Vorentwurf für eine Oper. Tanzfilm deshalb, weil die Bewegungen der Tänzer die Möglichkeit bieten, einen vierdimensionalen Raum zu gestalten. 1962 wird dann der Film mit dem Titel „Transreale Strukturen“ uraufgeführt. Es ist eine tänzerische Studie über Zeit und Raum, in der die Tanzenden und ihre Beweungen zur Silhouette abstrahiert sind und nur mittels Filmnegativ gezeigt werden (Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus dem Tanzfilm).
Die einzelnen Tanzbewegungen werden im Nachhinein durch Bildschnitt, Bildmontage Einfärbungen umgestaltet. Auch dieser Film erhält wie „Geburt des Lichts“ das Prädikat „besonders wertvoll“ und gute Kritiken. Aber im Kino läuft er nicht. Er läuft bei Festivals – auch 1963 auf der Internationalen Filmwoche Mannheim und bei der Weltausstellung 1967 in Montreal.
Nachdem Schömbs noch 1964/65 (es muss 70/71 heißen, siehe Kommentar am Ende des Artikels) bei der Verfilmung des „Triadischen Balletts“ mitwirkt, zieht er sich in sein Atelier zurück. Auch eine große Ausstellung 1971 in München bringt keinen Erfolg. Er widmet sich verstärkt seinen Ideen einer Oper und seinen philosophischen Vorstellungen. 1976 stirbt er nach längerer Krankheit in München.
Seine Filme befinden sich heute im Archiv des Deutschen Filmmuseums in Frankfurt, sein malerischer Nachlass bei den Künstlernachlässen in Mannheim. (Januar 2013, Silvia Köhler), Email: info@kuenstlernachlaesse-mannheim.de http://www.kuenstlernachlaesse-mannheim.de, Text: Silvia Köhler
Fotos: Stadtarchiv Mannheim; Künstlernachlässe Mannheim und Privatbesitz, Text und Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Silvia Köhler per E-Mail mit der Bitte um Veröffentlichung überlassen, DieRedaktion.
Weitere Verknüpfungen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Schömbs,
http://archiv.deutschesfilmmuseum.de/pre/print.php?main=schoembs_franz
http://www.fr-online.de/rhein-main/film-unvergessen,1472796,3181562.html
http://www.cinemaquadrat.de/index.php?id=310&fid=2009_1691
Bitte weitersuchen, das Netz hält noch Informationen bereit…
Letzte Meldung vom Künstlernachlass Mannheim vom 04.12.2013:
»Auch für die Ausstellung im Rathaus griff uns der Freundeskreis bei der Rahmung der beiden Filmstreifen von Franz Schömbs finanziell unter die Arme: Denn für die Streifen mit einer Länge von zwei Meter gab es keinen Rahmen „von der Stange“.«
Nachricht aus dem Netz vom 24.09.2014: »It is in reality a nice and useful piece of info.«