Kategorie: Dosenglück

  • LUDWIG FELLNER

    LUDWIG FELLNER

    DSC09070 - Arbeitskopie 2Als wir von unserem Besuch im Weinstrassenatelier von Ludwig Fellner nach Hause ins Wohnatelier zurückkamen, galt unser erster Blick unserer Sammlung von Zeitungsartikeln über berühmte Künstler nicht nur der Region. Und tatsächlich wurden wir fündig.

    Der Mannheimer Morgen veröffentlichte in seiner Samstagsausgabe vom 13./14. Juli 1996 (N° 160) einen Ausstellungshinweis unter dem Titel ›LUDWIG FELLNER: Ansicht des Zwingers in Dresden‹ mit grossformatiger Reproduktion Fellners Arbeit und einem informativen Text, den wir hier wiedergeben möchten:

    »Der 1917 im bayerischen Dettenheim geborene Maler Ludwig Fellner ist seit Jahrzehnten in Königsbach/Pfalz ansässig, wo er nach abenteuerlichen Unternehmungen und Reisen sein Atelier unterhält. Derzeit stellt der Künstler, der sein Studium an der Freien Akademie Mannheim begonnen hatte, wieder einmal in Mannheim aus. Im Diakonissenkrankenhaus (Rehabilitations-Geriatrie, 2. Stock) ist eine Schau seiner Bilder zu sehen. Darunter befindet sich auch die abgebildete lavierte Pinselzeichnung des Dresdner Zwingers, den Fellner im Jahre 1990 besuchte.« Fotografiert hatte Manfred Rinderspacher.

    Ingrid Fellner kümmert sich um Atelier und Nachlass und wechselnde Ausstellungen. Zurzeit trifft man auf Rosel Anton aus Hambach mit Radierungen und Gabi Höffel aus Edenkoben mit Handweberei. Bis 31. 0ktober 2014, Sommerpause im August...
    Ingrid Fellner kümmert sich um Atelier und Nachlass und wechselnde Ausstellungen. Zurzeit trifft man auf Rosel Anton aus Hambach mit Radierungen und Gabi Höffel aus Edenkoben mit Handweberei. Bis 31. 0ktober 2014, Sommerpause im August…Rechts im Bild ein Selbstportrait, angefertigt in Englischer Gefangenschaft in Ägypten mit mineralischer Farbe, wie mir Frau Fellner erzählte.

    Es begab sich wirklich rein zufällig, dass ich Mut schöpfte. Und mich an der offenen Terrassentür lautstark bemerkbar machte. Liegen die Öffnungszeiten ja am Wochenende (Samstag und Sonntag 14-18 Uhr, Eintritt frei). Ich fuhr bereits über eine holprige Schotterpiste am Waldrand entlang Richtung Bad Dürkheim, da drehte ich um. Fellners Witwe Ingrid liess mich ein. Und gestattete fotografisches Arbeiten.

    Fellner ist in vielen Techniken zu Hause. Wir entschieden uns für die locker leichten Ölarbeiten, die wie seine Aquarelle in feinster Farbgebung aufscheinen, hier ein paar Aufnahmen↓:

    1983, Marmaris, Türkei
    1983, Marmaris, Türkei
    1982, bei St. Martin
    1982, bei St. Martin
    1971, in Glanum, Frankreich
    1971, in Glanum, Frankreich
    1998, keine Daten
    1998, keine Daten
    1994, Landschaft bei Königsbach
    1994, Landschaft bei Königsbach

    Die Gestaltung des Badezimmers in einigen Beispielen↓:

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    Der Blick in die Welt, der ins Atelier, oder umgekehrt?↓:

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    Morgens kurz vor neun Uhr fuhren wir mit der Regionale nach Neustadt. Das machen wir immer mal wieder, uns gefällt es einfach in der Pfalz. Und nach Bad Dürkheim sind wir ebenfalls schon geradelt; und Freinsheim und was weiss ich noch alles. Über fünfzig Berichte zu Orten und Stationen im mit der Karte ab sechzig erreichbaren Umkreis von Mannheim². Wer Glück hat, wird fündig. Heute waren wir richtig glücklich.

    Danke.

    Zum Schluss noch einige Impressionen aus Königsbach ohne Kommentar:

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    DSC09071 - Arbeitskopie 2

  • DILSBERG ÜBERM NECKAR

    DILSBERG ÜBERM NECKAR

    Lochmühle
    Lochmühle

    Jetzt geht’s los, sagten wir uns am vergangenen Samstag, alles griff ineinander: wie gut geölte Zahnräder. Früh aufstehen, einen Tag, wenn auch anstrengend, im Umland Nähe Neckargemünd verbringen. Rein in den Nahverkehrszug nach Heidelberg, Ausstieg in Neckargemünd Altstadt, rauf aufs Rad, Dilsberger Strasse (K4200), Am Mühlwald lang zur Lochmühle, Wanderweg zur Dilsberg.

    Schwerer Anstieg, wer sein Fahrrad liebt, der schiebt. Wegstrecke gut begehbar. Halt relativ steil. Immer mal anhalten, fotografieren, Landschaft geniessen. Kein Schwanz unterwegs. Irgendwo läuft ununterbrochen die Kettensäge. Aus der Lochmühle erscheint eine junge Maid und ruft: ›Papa‹. Ausser mir kein Papa da.

    Die Lochmühle ist eine gemütliche und feine Ecke Welt, ein Bächlein rauscht, ein leise plätschernder Brunnen versorgt mit Trinkwasser, Festmeter Holz bereits reichlich für den nächsten Winter gestapelt. Wiesen nicht gemäht. Kleine Feuerstelle mit Holzvorrat nebenan. Drei ehemalige Mühlräder. Ein paar Schuppen. Die Sonne scheint.

    Der Papa fährt mit dem Auto vor.

    Wir ziehen weiter. Zur Burgfeste Dilsberg. Die Burg steht unter der Fuchtel der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg. Eintritt für Familien: 5,00 €. Bin zwar keine Familie, habe keine fünf Euro, sondern lediglich einen bezahlt, nun gut, die Ticketnummer: 070038995072840431!

    Noch ist es nicht soweit, wir befinden uns in der Mitte des Anstiegs. In der Ferne zwei ältere Herren, wie sich herausstellt, ein Schäfer mit Gesprächspartner. ›Wo sind die Schafe?‹ frage ich, als mich sein Äusseres an einen nicht tot zu bringenden Berufsstand erinnert. ›Die kommen grad‹ seine Antwort und tatsächlich tauchen die ersten aus dem hohen Grase auf↓:

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    Freude schöner Götterfunke, was für eine Sensation. Schon ewig keine Schafe mehr gesehen. Hunde laufen in der Grossstadt doch zur Genüge herum. Schöne Aussicht überall:

    Gelobtes Land Odenwald
    Gelobtes Land Odenwald

    Grün: Kraftspender fürs Auge. Streuobstwiesen, bewaldete Hügelketten, Ferne himmelblau. Odenwälder Gesteinsformationen. Der Blick hoch zur Feste:

    So steil, so steil der Anstieg...
    So steil, so steil der Anstieg…

    Je nun, wir haben’s geschafft. Ein bisschen ausser Atem, verschwitzt. Am Ziel. Oben, einfach oben. Wie toll, heute Nachmittag werden wir zu Tal rasen mit unserem Drahtesel. Wir erblicken den Torturm, bis Mitte des 19. Jahrhunderts fungierte er als Wachhaus, bis er dann zur Unterkunft für Wanderer wurde, heute um die Ecke eine Jugendherberge. Der Torturm zur Restburg, zum Ort: Eingang zur Abgeschiedenheit. Geringfügig Tourismus. Kein Massenziel. Wäre nicht Neuzeit und Moderne, es wäre Mittelalter. Der Torturm, von vorne und von hinten, leider nicht von drinnen↓:

    War ein hartes Stück Arbeit. Wir spazieren durch Dilsberg. An den beiden Konfessionen inclusive Friedhof vorbei; Station Wasserturm, fünfzig Jahre in Betrieb, jetzt wohl privat. Einkehr ins Burgcafé Pippifax in der Oberen Strasse. Dort durften wir fotografieren, hier ein paar auserwählte Eindrücke↓:

    Auszug/Zitat www.pippifax.net:

    An ausgesuchten Abenden verwandelt sich das Burgcafé Pippifax in eine Showbühne und bietet Künstlern ein Forum für tolle Live-Events. Durch seine guten Kontakte zur Kulturszene gelingt es Gerd Becker immer wieder, fantastische Musiker, Kabarettisten und Künstler auf den Berg zu holen und seinem Publikum besondere Highlights zu bieten.

    Text einer Wandbemalung aus den Räumen des Cafés, Titel: Kind bleiben:

    »Staunend, in jeder Lebenssituation klein anfangen dürfen, damit sich die Verwandlung in mir vollziehen kann. Staunend, mit offenen Augen und Ohren alles wahrnehmen – als wenn ich zum ersten Mal sehen und hören würde. Staunend mit Kindern unterwegs sein, weil sie noch nichts zu verlieren haben und ausdrücken, was sie zutiefst zum Wachstum brauchen. Staunend Kind bleiben, weil nichts sein muss, sondern alles werden kann.«

    Eine Nachricht aus Dilsberg per E-Mail: Hallo Herr Bellmann, schön dass es Euch gefallen hat und danke für die schönen Motive. Herzliche Grüße Gerd Becker. Von meinem iPhone gesendet.

    Falls irgendwer aus Mannheim und Umgebung mal Lust auf Pippifax haben sollte, ich komme gerne mit!

    Wir verlassen den schmackhaften Wiener Kaffee und müssen noch zur Burg, bevor es wieder zurück in die Realität Mannheims gehen wird. Dominant der Torturm (siehe oben), der Wasserturm, die Burgruine (Teilsanierung), dahinter die Freilichtbühne, die beiden Kirchen, das Kommandantenhaus, ein historischer Brunnenstollen (wo wir nicht waren, zu erschöpft), der Burggarten, die Radler von Dilsberg…

    See you later alligator…

  • Reisen ins Umland: LAUTERBOURG / Zone industrielle / FRANCE

    Reisen ins Umland: LAUTERBOURG / Zone industrielle / FRANCE

    Von Lauterbourgs Innenstadt raus in die Umgebung bedarf es lediglich eines Katzensprungs. Einmal leicht hüpfen und schon ist man am Rhein. Fotokundler wie wir brauchen etwas länger. Auf jeden Fall bietet Lauterbourg in geografischer Dichte, was in Grossstädten meist weit auseinander liegt.

    Europäische Gemeinschaftsleistung zum Wohle der Bevölkerung
    Europäische Gemeinschaftsleistung zum Wohle der Bevölkerung

    Wir radeln zum Hafen.

    Südlich der neuen und alten Lauter entwickelte sich ein verglichen mit der Stadt recht grosses Industrieareal. Zudem plant und baut man in der Region (Préfecture de la Région Alsace et du Département du Bas-Rhin) einen Schutzdamm gegen die Hochwässer des Rheins. En gros ein Gebiet, das viele Arbeitsplätze sichert. Finanziert wird das Schutzprojekt durch die Bundesrepublik Deutschland (…) Wasser- und Schifffahrtsdirektion Südwest. Beginn der Bauarbeiten der Phase 2 im April 2013, Dauer (Durée des travaux: 18 mois) anderthalb Jahre. Kosten: 1.2 Mio €.

    Uns interessiert im Moment mehr die vorhandene (Chemie) Industrie und ihre Bauten. Im ›Rheinhafen‹, hier mit Sonderzeichen der üppigen Grösse wegen, existiert als wirklich dominante Einrichtung lediglich ein Sand- und Kieswerk. Das bringen wir gleich in Grossformat, dies erspart dem Leser zwei zeitraubende Klicks:

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    Wo Sande und Kiese gehandelt werden, ist der Stahl nicht weit, die Firma Eiffage  – CONSTRUCTION MÉTALLIQUE:

    Eine Krananlage kommt wie ein Naturprodukt daher.
    Eine Krananlage kommt wie ein Naturprodukt daher.

     

    Eine Mülldeponie darf klaro nicht fehlen:

    DSC08281 - Arbeitskopie 2

    Gleich nebenan ein Baggersee:

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    Und als Hauptattraktion Chemical Industries (siehe ebenso Beitragsbild):

    Das möge über Lauterbourg genug sein. Es existieren über diesen Ort zurzeit drei Artikel: XX 23 / 24 / 25 Mini. Vielleicht bringen wir noch einen vierten, Material hätten wir dafür reichlich. Mal sehen.

     

     

     

  • Reisen ins Umland: LAUTERBOURG / Le Centre de la Ville / FRANCE

    Reisen ins Umland: LAUTERBOURG / Le Centre de la Ville / FRANCE

    Nun, irgendwie gefiel uns das Städtchen; noch nie in unserer langen Geschichte über die Fahrten ins Umland begannen wir mit der wenn auch kurzen Beschreibung der Station. Der Station der Ankunft. Wenn wir Knete hätten, die wir natürlich nicht besitzen, würden wir uns hier ansiedeln. Altersruhesitz. Für die letzten paar Jahre, für den meist schäbigen Rest der Existenz. Der ist ja weit verbreitet. Was für ein Jammertal, für die Individualisten nicht nachvollziehbar. Bis es soweit ist, bis das Alter gnadenlos zuschlägt, und die Sünden des Lebens präsentiert. Der Bahnhof von Lauterbourg beging keine Sünden, er verlebte seine Zeit und ist nun wie er ist: einfach und schön.

    Der Weg ins Örtchen gestaltet sich modern. Neue Strassen, frisch asphaltiert, Rad- und Gehwege in klarer Form und Kennzeichnung, man findet sich zurecht, der Ort ist das Zentrum, das Zentrum der Ort. Mal abgesehen von Neubaugebieten, Speckgürteln und Industrieansiedlungen. Das Zentrum: nicht so ausgeprägt mittelalterlich wie in Wissembourg; Lauterbourg eher Nebenort; wie er in Grossstädten in reduzierter Form ebenfalls zu entdecken ist: Bei sog. Tagen der offenen Tür. Im Nordosten Frankreich (Nordelsass) bleiben die Türen immer geöffnet, da bedarf es keiner einmalig-jährlichen Verwaltungsaktion.

    Landauer Tor aus der Mitte des 13. Jahrhunderts
    Landauer Tor aus der Mitte des 13. Jahrhunderts

    Bemalte Fassade
    Bemalte Fassade

    Als erste Sehenswürdigkeit sticht uns der Unterturm – Landauer Tor in die Linse, da radelten wir hin: TOUR DU BAS – PORTE DE LANDAU. Hier im Blog bieten wir das wahrscheinlich tausendste Foto, vielleicht vergleichsweise aus einer gering differenzierten Aufnahmeposition, was es veröffentlichungswert macht. Oben im Giebel die Sonnenfigur verweist auf Ludwig den XIV, als Sonnenkönig (Roi Soleil) bekannt. Keine fünfzig Meter vom Tor (Turm) entfernt eine Fassadenbemalung in der Rue Vauban→. Möge jeder / jede darüber denken wie er / sie will. Immerhin. Fassade als Leinwand. Das trägt bereits grossstädtische Züge. Wir erkundigten uns nicht weiter über das Wer, Was, Wie und Warum an und in diesem Haus, mögen es andere tun oder es sein lassen.

    Eine weit gewichtigere, sprich bedeutendere Gestaltung einer Hauswand zeigt sich in der Nähe der ehemaligen Königlichen Stallungen. Wir präsentieren das Kunstwerk im Öffentlichen Raum im Grossformat, weil es geschichtsträchtige Informationen wiedergibt↓:

    Blick eines französischen Künstlers auf die Wehrhaftigkeit seines Landes
    Blick eines französischen Künstlers auf die Wehrhaftigkeit seines Landes

    Das ist schon der Hammer, im neuzeitlichen Sprachgebrauch. Den Hammer schwingt ein älterer Herr, der in einem angrenzenden Anwesen seine Wohnung hat. Mit blutroten Äderchen seines fast schon biblischen Gesichts spricht er von der Vergangenheit. Von der Vergangenheit der Auflösung der Welt. Von der Evakuierung. Binnen einer Stunde musste Lauterbourg dem Feind überlassen werden. Die Deutschen, nein, Hitler und seine Handlanger und Kriegstreiber schliffen die Länder und Regionen. Flieh Franzose, flieh, bevor die Feuerwalze Dir den Garaus macht. Der alte, feine Herr kennt die Geschichte des dargestellten Turms. Er wurde von den zurückweichenden Truppen des Hitler-Regimes gesprengt. Ich sagte geschliffen, er, der Weltkriegsteilnehmer (Résistance?): »gesprengt«. Was wurde nicht alles im Zuge der Niederlage noch vernichtet. Die endgültige Verdeutlichung der Sinnlosigkeit menschlicher Verhaltensweisen. Er, der Herr über die erlebten Gräuel, er kannte den Turm, er kennt den Schutthaufen des Turms, wie er sich wahrscheinlich lange Zeiten über täglich in seinen Erinnerungen aufsprengte. Er, der alte Mann, damals 45: siebzehn Jahre alt, habe seine Lebenserinnerungen niedergeschrieben, für die Nachkommen. Er nähme sie nicht mit ins Grab, zu seinen Lebzeiten keine Veröffentlichungen, später, später… Vielleicht. Die Familie und das Schicksal mögen darüber befinden. Der Schöpfer – der einem Denkmal nahekommenden Fassadenkunst – sei ein französischer Marineoffizier gewesen. Das sprach er als Schlusswort. Dann stieg er in seinen R4 und parkte ihn auf seinem nahen Grundstück.

     

  • Reisen ins Umland: LAUTERBOURG / La Gare / FRANCE

    Reisen ins Umland: LAUTERBOURG / La Gare / FRANCE

    Die Städte Lauterbourg und Wissembourg, knapp zur Grenze zum Deutschen Rheinland-Pfalz auf Französischem Boden gelegen, bieten genau das, was Frankreich auch heute noch bestimmt: »Laissez faire«. Wir machen so gut es geht und beginnen mit der Arbeit. Wir sind früh vor Ort, um 10:22 Uhr am 21.05.2014 haben wir die erste Aufnahme im Kasten. Bahnhof ist Ankunft. Ein- bzw. Anreise. Da finden sich die Gedanken in anfänglichen Einschätzungen, das prägt die Befindlichkeiten meist über mehrere Stunden hinweg. Radelt man, kaum angekommen, gleich weiter, fehlt oft den ganzen Tag über die Bindung zur Örtlichkeit. Bahnhöfe sind uns Wohlbefinden: oder man kehrt besser umgehend um. Der Bahnhof von Lauterbourg ist einsam. Ihm fehlt die hektische Betriebsamkeit der Knotenpunkte.

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    Société nationale des chemins de fer français
    Société nationale des chemins de fer français

    Ruhe und Stille herrschen. Lange Zeit keine Menschenseele. Einmal in der Stunde fährt der Zug zurück nach Deutschland, nach Wörth. Dort stiegen wir in aller Gemütsruhe um. Der Bahnhof Wörth wird saniert. In Kürze entspricht er dem Grundmuster der überall sichtbaren Erneuerung. Modernisiert eben. Kein Flair mehr.

    Da ist die Ankunft in Lauterbourg charakteristisch für überkommene Höfe und man fühlt sich in Vergangenes und gleichzeitig Gegenwärtiges fast hineingeworfen. Die Vorgänge und Entwicklungen aber ähneln sich: Dem Bahnhofsgebäude fehlt die ihm entsprechende Nutzung, die ja mal vorhanden gewesen sein muss, sonst hätte sich kein Baumeister damit abgegeben. Leerstand.

    Wer fährt schon nach Lauterbourg? Unweit vom Bahnhof befindet sich die Freizeiteinrichtung Bassin des Mouettes. Ein Reiseziel für junge Leute. Wir nahmen erst die gleiche Richtung, dann wurde es uns vor lauter Jungvolk zu bunt. Und drehten um. Zum Zentrum.

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    Garage des Bahnhofsvorstehers
    Garage des Bahnhofsvorstehers?

    Mit Blick zum verlassenen (?) Stellwerk. Ein Einmannbetrieb? Ein Häuschen, das uns an ein Bahngebäude in Neustadt erinnert. Ein wenig. Das hier geschah aus der Ferne, per  Zoom. Später radelten wir noch mal dran vorbei. Die D3 zusammen mit der D248 queren am Stellwerk die Bahnanlagen. Von dort aus spielten wir später den PedalRitter zum Port du Rhin, dem Hafengebiet von Lauterbourg. Eine interessante Begegnung, wenn wir zum Beispiel an den Mannheimer Hafen denken. Bautechnisch wiederholt sich auf dieser Welt so einiges. Nicht nur in Häfen. Sozialer Wohnungsbau, Villen von Grossunternehmern, Zeltstädte von Protestierenden, von Flüchtlingen aus Kriegs- und Armutsregionen, Klassizismus, Art Deco, Jugendstil… China ist der grösste Wiederholer von Bausünden. Je höher desto bevölkerungsreicher. Wüsten aus Stahlbeton. Lauterbourg bewahrt sich Persönlichkeit, von Massen nichts zu sehen, nur junges badelustiges Volk aus der näheren und ferneren Umgebung.

    Joseph Hemmerlé
    Joseph Hemmerlé

    Die Katholische Dreifaltigkeitskirche
    Die Katholische Dreifaltigkeitskirche

    Das Zentrum kommt anders daher. Innenstadtsaniert. Autos willkommen. Ruhezonen in Nebenstrassen. Stangenweiss allgegenwärtig. Wenig los für einen späten Mittwochvormittag. Joseph Hemmerlé, ehemaliger Bürgermeister von 1955 bis 1995, begegnet uns in Form einer Bronze, hervorragend plaziert mit Blick auf den Turm der ÉGLISE DE LA SAINTE TRINITÉ (von der Büste verdeckt) aus dem 15. Jahrhundert am Platz der Republik. Durch Brand zerstört: 1678. Wiedererrichtet. Erneut eingeweiht nach fünfjähriger Bauzeit. Anfang des 18. Jahrhunderts Abriss. Wiedereinweihung am 29.06.1719. Portalinschrift (siehe grosses Foto↓): ›Hier stehe ich durch die Gnade Gottes, die Gunst des Friedens und die Hilfe der Stadt.‹ Ein gnadenreiches Zusammenspiel des Himmels, der Erde und der friedliebenden Menschen. Wir schöpfen und bilden und zerstören nicht! Das müssen selbst heute noch, trotz üblen historischen Erfahrungen, viel zu viele lernen. Da sind wir mit EUROPA in eine glückliche Phase von Frieden und Wohlstand eingetreten; und weshalb, so stellt sich die Frage, passt das manchen Europäern nicht? Rückwärts gewandt? Respektlos? De Gaulle würde sich im Grabe umdrehen, auferstehen und eine gewaltige Pro-europäische Rede halten, Kohl und Mitterand ihm nachfolgen, und die Kleinkrämer würden sofort verstehen, um was es eigentlich geht: Aussöhnung, Freundschaft, Friede, Verständnis, Respekt, Zuwendung und so weiter und so fort… Think positiv…

    Inschrift über dem Portal der Dreifaltigkeitskirche in Lauterbourg
    Inschrift über dem Portal der Dreifaltigkeitskirche in Lauterbourg

    Folgende Mitteilung (Spam) erreichte uns am 22.07.2014: »Normally I do not learn article on blogs, but I would like to say that this write-up very compelled me to take a look at and do so! Your writing taste has been amazed me. Thanks, quite great post.« Eitel, wie wir sind, wurde der Kommentar komplett gelöscht: Bis auf den übermittelten Text! So bleibt der Schreiber anonym!

    Am 10.09.2014 strandeten wir wieder am Bahnhof zu Lauterbourg⇓:

    Train à grande vitesse ...
    Train à grande vitesse …

    Au revoir!