Auftrag 14.3.99, gedruckt 23.3.99, „Terra Deponia“ im Andreasstift. „Dosen im Kreuzgang, wo sonst die geballte Wucht der Geschichte vertreten ist – wie paßt das zusammen?“ gab Hans-Joachim Kosubek, stellvertretender Kulturdezernent der Stadt Worms bei seiner Begrüßung den provokanten Denkanstoß zu den Werken des Malers und Performancekünstlers Franz Bellmann…1992 entstand der Wandel von der Malerei zur Projektkunst mit dem Konzept: „Dosenglück“: Die großflächigen Bilder seiner gegenwartsbezogenen Arbeiten sind reliefartig gestaltet, farbstark demonstrieren sie eindringlich, wieviel Abfall die Erde wie eine künstlichen Haut überzieht…„Kritische Masse“, „Arche Noah“, „Photomania“ oder die Skulptur „Stangenware“ sprechen eine eindeutige Sprache; der Betrachter fühlt in beklemmender Deutlichkeit den Aufschrei der Erde durch Verbrauch und üppige „Möblierung“ einer Stadt mit Müll. (Foto links mit freundlicher Genehmigung durch Irene Kupsch und Bernhard Wondra, DieRedaktion.)
Schirmstelen in Edingen, Foto Manfred Rinderspacher
In dazu künstlerischer Spannung stehen die Arbeiten Bellmanns im weißen Saal des Museums und im Obergeschoß…„Dosenglück“ verbindet in einer Verschmelzung von gepreßten und gemalten Dosen vor schwarzblauem Hintergrund altes und neues Konzept…So sind Workshops… geplant, Anmeldungen hierfür im Museum. (hüf)…(Mit freundlicher Genehmigung durch Claudia Hüfner, beide Artikel in DIE RHEINPFALZ erschienen, hier stark gekürzt wiedergegeben, weiterer Hinweis: zur Ausstellung „Terra Deponia“ erschien ein kleiner Katalog, welcher käuflich zu erwerben ist, inclusive Versandkosten 15.-Euro, DieRedaktion.)
Blick in den Ausstellungsraum Andreasstift, Foto Manfred Rinderspacher
Ein Hinweis: Angekreuzt im MM vom 01.10.2003
Mannheims Dosenkünstler und Maler Franz Bellmann ist heute… im Fernsehen zu bewundern. Der SWR zeigt… in der Landesschau eine Glosse unter dem Titel „Im Namen der Dose“; Redakteur ist Eberhard Reuß. Anlass ist das Inkrafttreten des Dosenpfand-Gesetzes. (Ein Mitschnitt obiger Sendung kann unter Umständen beim SWR bezogen werden, Die Redaktion.)
Festival- und Jubiläumskuchen 2010, Foto Matthias Plath
Die Festivalzeitung, wie sie nach langen und schwierigen Vorarbeiten im Juni 2010 in Druck ging.
Foto Matthias Plath
Vorbereitende Massnahmen zur Durchführung des Festivals, auf der Aufnahme links sind zwei gerade aufgehängte Jazz-Portraits vom Fotografen Manfred Rinderspacher zu erkennen. Diese Präsentation zeigten wir zum Eröffnungstag des Jubiläums.
Frau Dr. Christel Heybrock im MM vom 30. Juni 2010
Forum für Weggefährten und Freunde, der Mannheimer Dosenkünstler Franz Bellmann feiert das 25-jährige Bestehen seines Ateliers mit Lesungen, Diskussionen, Kabarett und Kunst
…feiert er eine ganze Woche lang nun das 25-jährige…und wenn andere Leute in ähnlicher Situation sich ausufernd feiern lassen, macht er es just umgekehrt und lässt Freunde und Kollegen, Weggefährten und sogar Verwandte auf der Bühne seines Schaffens auftreten…
…Immer noch besteht der Garderobenständer aus diversen Blecheimern, Deckeln, einer Kuchenform und den verrücktesten, bunt bemalten Fundstücken, immer noch ziert eine türkisgrüne Skulptur mit dem Titel „Beuys“ jener Hut, der an den grossen Meister von Filz und Fett erinnert, während…ein schräg gekippter Plastikkorb das Ganze gefährlich instabil aussehen lässt…
„Beuys in Begleitung“, Foto Manfred Rinderspacher
…Einer, der mit seiner Kunst so in die soziale Breite und auf die Probleme der Gegenwart zielt statt ins grosse Geschäft und auf globalen Ruhm, dem nimmt man auch ab, dass er zum Jubiläum andere zu Wort kommen lässt, schliesslich haben sie alle ihn freundschaftlich begleitet…
…Wie fühlt er sich denn in der Mannheimer Kulturszene? „Oh, ich fühle mich wie im Paradies. Stellen Sie sich mal vor, alle diese Leute gäbe es nicht!“
Und ohne die Weggefährten, wie ist sie denn, die Szene hier? Da kommt ein ebenso entschiedenes wie mehrdeutiges „Hm“. Nichts sonst.
Aber nächstes Jahr, wenn er 65 wird, soll es wieder ein Atelierfest geben…
(Der gesamte Artikel kann bei uns eingesehen werden, Die Redaktion.)
Das MORGENmagazin berichtet am 01.07.2010
Vorträge, Kabarett, Lesungen, Franz Bellmann feiert ein mehrtägiges Fest zum 25-jährigen Jubiläum seines Ateliers
Seine „Dosen-Kunst“ ist fast schon legendär. Franz Bellmann hat sich nicht nur mit ihr einen Namen gemacht, gleichwohl sind es diese ungewöhnlichen Objekte, mit denen er deutschlandweit für Aufsehen sorgte. Unermüdlich ruft er sich…mit unterschiedlichsten Aktionen in Erinnerung – und appelliert…an das Umweltbewusstsein der Menschen.
Nora Noé beim Festival, nach der Lesung im Gespräch mit ZuhörerInnen, Foto Matthias Plath
Seit 25 Jahren hat Bellmann in Mannheim ein Atelier. Ein Jubiläum, das nun gebührend gefeiert wird: Vom 1. bis 7. Juli lädt er zu Vorträgen, Diskussionen, Lesungen, Kabarett und Musik ein. Der Kabarettist Einhart Klucke wird zu erleben sein, die Sängerin NadiaAyche, die Autoren Nora Noé und Meinrad Braun und der Klangkünstler Hans-Karsten Raecke. In einer Diskussionsrunde sprechen Gäste über die Situation der Bildenden Künste vor Ort, Höhepunkt ist ein grosses Atelierfest am 7. Juli. Fast täglich wechselt zudem die Kunst in Bellmanns Räumen: Ausstellen werden die Fotografen Manfred Rinderspacher, Matthias Plath und Günther Wilhelm, aber auch die Malerin Christine Bellmann. (Zusammen mit Ihrem Gatten Ludwig Roth, eigener Hinweis, Die Redaktion.)
IN MEMORIAM: Die Künstlerin, Autorin und Aktivistin Eva Vargas
Abschied von einer Ausnahme-Aussteigerin, Nachruf im MM am 30. Juni 2010 von Simone Jakob
„Wenn das alte Trafohaus am Wehrsteg-West einmal leer steht, hab‘ ich meinen Seesack geschnürt und bin gen Süden gezogen“ – mit diesen Worten endete ein Interview mit der Heidelberger Rest-Art-Künstlerin Eva Vargas. Doch ihr grosser Traum – als Bäuerin auf Sizilien zu leben – hat sich nicht erfüllt. Eva Vargas ist am Montag nach langer Krankheit gestorben.
Die Heidelberger werden die Künstlerin, Songpoetin, Autorin und Aktivistin vermissen. Wer den Leinpfad flussabwärts ging, landete irgendwann vor ihrem Backsteinhaus, das wie ein verwunschenes Rapunzel-Schloss aus wildem Grün hervorlugte. Ein ausrangiertes Ofenrohr diente als Briefkasten und im Garten standen unzählige, bunt bemalte Schrottgebilde. Und bei jedem Spontanbesuch wurde man schnell selbst zum Künstler, denn aus dem Trafohaus direkt am Neckar hat Eva Vargas das „Rest-Art-Zentrum-Heidelberg gemacht…
…“Wer ein Zipfelchen vom Paradies erwischt hat, sollte es mit anderen teilen.“…
Hans-Ulrich Fechler berichtet in DIE RHEINPFALZ vom Donnerstag, 18. Juni 2009:
Wenn am Freitag das Kunstprojekt in den Abrisshäusern Ostpreussenstrasse 24 bis 28…eröffnet wird, dann werden einige von dem Künstler Franz Bellmann gestaltete Kellerräume verschlossen bleiben. Der…Künstler hat Paul Celans Gedicht ”Todesfuge” in eine Installation umgesetzt… Was Bellmann für Zensur hält, ist aus Sicht der Organisatorinnen Widerstand gegen dessen Anmaßungen.
”Schwarze Milch der Frühe” hebt Paul Celans Gedicht ”Todesfuge” an und klingt aus in den bis zum Überdruss nachgesprochenen Vers ”Der Tod ist ein Meister aus Deutschland”. Das Jahrhundertgedicht über die Menschheitskatastrophe im 20. Jahrhundert, den Völkermord an den Juden in den Gaskammern der Vernichtungslager, gibt in der Ostpreussenstrasse Anlass zu kleinlichem Tratsch im Treppenhaus. Franz Bellmann hat das Gedicht vom ersten bis zum letzten Vers an die Kellerwand in der Ostpreussenstrasse 26 geschrieben. Die wie die Todeshäftlinge durchnummerierten Kellerräume hat er mit gefundenem Material aus den dem Abbruch geweihten Häusern bestückt…
In Raum 14358 steht ein Bottich auf dem Boden und ”Zyklon B” an der Wand. Ein alter Ofen macht einen anderen Raum zum Krematorium, ein Seziertisch einen weiteren zum Raum medizinischer Menschenversuche. Es gibt eine Haftzelle für Männer, eine für Frauen, einen Verhörraum mit der Aufschrift ”Zutritt nur für Folterer” und einen sogenannten ”Raum des Abschaums”, wo sich die Folterer aufhalten. Hier ist Farbe ausgebreitet und ein Kanalisationsdeckel geöffnet. Und schließlich gibt es auch noch einen ”Raum des Gedenkens”…(Der zur Aufklärung der damaligen Gegebenheiten beitragende Artikel liegt unserem Archiv vor und kann dort eingesehen werden, DieRedaktion.)
„Wenn Häuser weinen“ in DIE RHEINPFALZ vom 10.06.2009 von Hans-Ulrich Fechler: Vor dem Abriss eines Ludwigshafener Siedlungsblocks haben 26 Künstler die Wohnungen in Kunstobjekte verwandelt.
Das hat es in Ludwigshafen noch nie gegeben. Künstler beziehen einen Häuserblock kurz vor seinem Abriss und verwandeln Wohnungen und Fassaden in Kunstobjekte…bevor dann Anfang Juli die Abrissbirne zuschlägt.
„Das weinende Haus“ (Originaltitel von Franz Bellmann, DieRedaktion) steht an der Ostpreussenstrasse 26…Im Treppenhaus setzt Klaus Hopf die Aufschrift bildlich um. Aus abgeschlagenem Putz rinnen Farbspritzer wie Blut aus einer Wunde oder wie Tränen,…Dass es in dem Haus nicht mit rechten Dingen zugeht, macht schon Franz Bellmanns Fassadenkunst deutlich… (Der gesamte, sehr informative Artikel liegt vor und kann bei uns eingesehen werden, DieRedaktion.)
Er hat ein Gesicht wie ein ergrauter Seefahrer, und in gewisser Weise ist er auch einer. Zumindest macht sein Atelier in der Mannheimer Altstadt den Eindruck einer Wunderkammer voller Trophäen, die er auf Reisen durch die Wirklichkeit gesammelt hat. Sehr weit freilich musste er nicht fahren, um Dinge zu finden, die seine Fantasie herausfordern, im Gegenteil, sie purzeln ihm tagtäglich vor die Füße: Kartons und Dosen, Eimer, Gabeln, Zigarettenkippen, Flaschen, Korken, Blechdeckel, Maschendraht, Stofffetzen …. Im Grunde gibt es nichts, was Franz Bellmann nicht gebrauchen kann. Er nimmt so ein Wegwerfding, dreht es vielleicht mal in der Hand, und, zack, erhebt sich in seinem Kopf wahrscheinlich schon die Säule aus Blechdosen, die Stelengruppe aus übereinander getürmten Kronenkorken oder das Materialbild aus Kartons, Drahtstücken, Löffelstielen und Zahnbürsten.
Franz Bellmann ist Künstler, und in einer anderen Lebensform hätte er, der gelernte Bautechniker und Soziologe, auch niemals Wurzeln schlagen können – wo soll einer mit solchem Gebrodel im Kopf denn sonst hin? Geboren 1946 in Haidl/Böhmen, verschlug es ihn noch vorm Abitur nach Karlsruhe, wo er später auch sein erstes Atelier einrichtete. Damals in den siebziger Jahren glaubte er wohl zwar immer noch, er könne auch für eine bürgerliche Existenz taugen. Aber 1985 gab er den Gedanken daran auf und kam nach Mannheim. Seitdem treibt er in der Rhein-Neckar-Region sein Unwesen, und das äußerte sich mitunter richtig spektakulär, weil nämlich die Blechdose, speziell die Alu-Getränkedose, zu einer Art Markenzeichen wurde für den Franz Bellmann.
Unvergessen aus den neunziger Jahren seine Dosen-Plattfahr-Aktionen in Karlsruhe und am Mannheimer Landesmuseum, unvergessen seine Performance „Dosenglück“, seine Dosenspaziergänge und Dosen-Mahnwache – die Getränkedose war und ist für Bellmann ein massenhaft verfügbares und als solches erstaunlich formbares Material. Säulen und Girlanden ließen sich daraus ebenso anfertigen wie ganze Bäume oder beängstigend aus Eimern und Badewannen hervorquellendes Füllmaterial (beispielsweise 1995 in der Ludwigshafener Galerie Hartmannstraße). Nicht zuletzt fungierte die Dose sozusagen als Maschenelement für Bellmanns Dosenanzüge, in denen er beispielsweise in der Darmstädter Fußgängerzone, in Ludwigshafen oder der Heidelberger Altstadt scheppernd und klackernd die Passanten erstaunte. Die Dose als Chaos-Material schlechthin – Bellmann führte mit solchen Aktionen im öffentlichen Raum auch dem Publikum vor Augen, welche Gebirge an Müll es durch seine gedankenlosen Trinkgewohnheiten produzierte, und insofern ist es nicht falsch, ihn in der Nähe von mahnenden Aktivisten wie Otto Dressler und Bernd Loebach-Hinweiser anzusiedeln. So wie diese beiden Kollegen, erfuhr freilich auch Bellmann, dass nicht alle Leute ihm wohl gesonnen waren, vor allem Getränkehändler empfanden ihn naturgemäß als wenig verkaufsfördernd. In Ludwigshafen wurde ihm gar der Zugang zum Rathaus-Center verwehrt, aber die Stadt Mannheim würdigte ihn 1993 mit dem Umweltpreis und stellte ihm 1996 das mehrstöckige Rathausfoyer für eine nun wirklich raumgreifende Doseninstallation zur Verfügung.
Der Eindruck von ausufernder Fülle, die letztlich auch den Künstler selber fast in den Hintergrund drängt, täuscht aber bei Bellmann. So chaotisch und wuchernd das alles aussah, so systematisch ging er in Wahrheit jedes Mal vor. In einer Publikation über die „Dosenglück“-Performance beschrieb er 1994 penibel deren Zweck und Aufbau, rubriziert als „Arbeiten unter der Verwertungsidee“. In fünf Stationen kam er zum Endergebnis Dosensäule, und das ging so: In nur zwei Jahren, zwischen 1992 und 1994, konnte Bellmann zwischen Mannheim und dem nahen Bruchsal mehr als 10.000 Getränkedosen „der Umwelt entnehmen“ (das viel bekrittelte Dosenpfand gab es damals noch nicht). Und da man seinerzeit bei jedem Gang zu Zeitungskiosk oder Supermarkt platt gefahrenen Coladosen auf der Straße begegnete, machte Bellmann ein Prinzip daraus: In öffentlichen Aktionen legte er 500 bis 1000 Dosen auf den Boden und fuhr mit Autos, Lastwagen oder Straßenwalzen so lange darüber, bis sie alle platt wie ein Teppich waren. Dann wurden sie auseinander genommen, „mittig gelocht“, und zwar „mit einem Locheisen (14 mm) und zwei Hammerschlägen (Fäustling 1,25 kg)“ und mit Wasser abgespült. Letzte Station war dann die „Ständerung“ – die zerquetschten Behältnisse, jedes einzelne auf ganz individuelle Weise platt und beulig, wurden auf einen Eisenstab „aufgefädelt, zusammengedrückt und verschraubt. Ein Ständer trägt dann im Mittel 200 Dosen.“
Auch die Performances, die Dosenmahnwache in Mannheim – alles wurde bis ins Detail vorher geplant und durch Skizzen festgelegt. Von dem Teilstück der Mannheimer Fußgängerzone am Schmettau-Brunnen, wo Bellmann seine Dosengräber und Mahnwache aufbaute, fertigte er zuvor eine maßstabsgetreue Zeichnung: „Dosengrab jeweils 1001 Dosen, Grabgestaltung ca. 10.000 Kronenkorken und Filmdosen“, sogar die scheinbar so simpel aus gepressten Dosen aufgeschichteten Stelen wurden und werden immer noch penibel auf Millimeterpapier entworfen – was so spontan aussieht, ist alles andere als das. Und zu den Vorbereitungen gehören nicht zuletzt auch die Genehmigungen der Kommunen für derartige Auftritte. Wildes Herumscheppern gibt’s nicht bei Bellmann, für mögliche ordnungsdienstliche Platzverweise wäre der Aufwand auch zu groß.
Mittlerweile hat Bellmann zwar die Performances, aber nicht die öffentlichen Präsentationen aufgegeben. Er ist heute über 60, und sein Dosenanzug wog etliche Kilo, allein der Helm aus gepressten Alubehältern drückte mit 10 Kilo aufs Künstlerhaupt. Am Helm waren zudem die Anzug-Dosen befestigt bis hinunter zur „Schleppe“, die Bellmann wie einen Metallschweif hinter sich herzog. Ohne Motorradhelm als Kopfschutz unter der ganzen Pracht wäre es nicht gegangen, gesteht er, und zeigt im Atelier, dass zumindest der Helm inzwischen eine eindrucksvolle Funktion erfüllt als krönender (und ziemlich ausladender) Abschluss eines originellen Garderobenständers. Der ist aus Blecheimern, Deckeln, einer Kuchenform und anderen Fundstücken zusammengesetzt – und erneut hält man auf den ersten Blick das exotische Gebilde für ein in kürzester Zeit gebasteltes Spontanwerk. Stimmt mal wieder nicht! Das schwere Ding steht nicht nur sicher auf einer Holzpalette aus dem Obsthandel, die den Sockel abgibt, sondern wird mit einem durchgehenden Rohr von innen stabilisiert. Von Statik versteht er nun wirklich etwas, der Franz Bellmann, andernfalls würden seine Arbeiten eine Gefahr auch für ihn selber darstellen.
Von den drei Atelierräumen in Mannheim (sein privates Domizil befindet sich in einem Vorort) hat der Baufachmann den Depotraum sogar als kleine Maisonnettewohnung eingerichtet, indem er einen Holzboden einzog, der über eine Leiter zugänglich ist: Oben ist Platz genug für ein Zimmer zum Übernachten, falls es mal spät wird bei ihm, unten stapeln sich derweil seine Bilder. Wenn man seine Schöpfungen so überblickt, fragt man sich schon mal, wie man den Mann einordnen soll. Performancekünstler? Bildhauer? Maler? Zeichner? Sammler? Denkt er nun eher zwei- oder eher dreidimensional? Hat er ein Händchen eher für Farben als für plastisches Material? Ist er mehr Hand- als Kopfarbeiter? Ach, man gibt es bald auf – Franz Bellmann, das ist ein Kosmos an Kreativitäet, etwas Ungebremstes, Wucherndes, Drängendes, ständig Probierenmüssendes ist in ihm drin und um ihn herum, und wer sich in diesem Dschungel aus Mythen, Präzision und forschendem Austesten nicht zurechtfindet, ist eigentlich nur durch eigenes Unvermögen daran schuld.
In einer Ecke am Fenster erhebt sich eine ebenso schmale wie scheinbar fragile Säulchengruppe aus geschichteten Kronenkorken, etwa zwei Meter hoch! Man wagt zwar kaum zu atmen davor, aber alles ist fest und zudem mit einer durchsichtigen Schicht überzogen. Im Raum nebenan, gegenüber dem helmgekrönten „Garderobenständer“, eine mehr als mannshohe, gespaltene Holzskulptur, die sich als Baum aus dem Pfälzerwald entpuppt: Bellmann, von Fundstücken stets fasziniert, fand das bereits abgestorbene Holz so ausdrucksvoll, dass er es ins Atelier schleppte und so bearbeitete, dass es zur abstrakten Skulptur wurde, aber seinen urwüchsigen Charakter behielt.
Bilder ringsherum: manche mit dermaßen pastos aufgetragenen Farben, dass man sie eigentlich als Reliefs bezeichnen müsste, andere Malwerke dagegen fein und luzid. Figuren „kann“ er ebenso flott wie völlig freie Kompositionen. Porträts? Kein Problem. Ein paar kantige, höchst expressive Gesichter seien, so Bellmann, aber nur „Fantasieporträts“. Große Gemälde, in denen undefinierbare Mythen wabern, wechseln mit wunderbar dichten, abstrakten kleinen Ölarbeiten auf Papier. Hingucker sind auch Kompositionen aus Tropf- und Kleckerbahnen, Bilder, die an Jackson Pollocks „Drippings“ erinnern. Bei Bellmann sind sie Ergebnis von Schleuderprozessen, er wollte mal ausprobieren, was dabei heraus käme. Die großen Materialbilder aus farbüberschütteten Dosen, Drähten, Eimern, Hufeisen, Zahnbürsten, Schulterpolstern, Blumenkübelrädern, Muscheln und werweißwasnoch – sie sind im Grunde Boden- und Liegebilder, wenn sie sich dem Blick angemessen präsentieren sollen. Chaotisch? Wer mit Distanz hinsieht, erkennt klassisch quadratische Grundstrukturen, in einem Fall stoßen vier imaginäre Quadrate mit den Spitzen in der Bildmitte aneinander, so dass sich sternförmig ausdehnende Straßenschneisen in das Sammelsurium eingegraben haben. Quadrate? Straßen? Natürlich, gelernte Bautechnik prägt doch!
Rätselhaft und erstaunlich karg muten dagegen kleine Papierarbeiten an mit jeweils einer etwas kopflastigen Figur aus Konturlinien. Was ist das? Was bedeutet es? „Ach, nur so“, sagt Bellmann. „Gucken Sie mal, so geht das,“ und er holt einen Bleistift, spitzt ihn ordentlich lang an, bricht die Spitze ab und reibt das Graphitstückchen mit der Fingerkuppe in unterschiedlich festem Druck über ein Papier: wieder eine kleine Figur, das geht in ein paar Sekunden. Wenn er dann noch partiell Titanweißpaste drüberlegt und mit einem Japanspachtel zieht, ist die Mischung aus Intensität und Distanz perfekt. Aber mit so kleinformatigen Minutenübungen will Bellmann sich nicht immer befassen, er denkt schon wieder in ganz großen Dimensionen.
Mannheim am Neckarufer! Anfang Oktober 2007 richtet Bellmann in Höhe des Collini-Centers einen Skulpturenweg von zweieinhalb Kilometern Länge ein bis hin zur Feudenheimer Brücke. 23 Skulpturen aus (unter anderem) Dosen akzentuieren die Uferlandschaft bis mindestens Anfang Februar 2008, die Genehmigung der zuständigen Behörden hat er ordnungsgemäß eingeholt. 16 Arbeiten sind auf 4 Meter hohen Baumstümpfen montiert, manche gar zu zweit auf einem Stumpf, und einige Arbeiten sind zudem sehr schmal und lang. Bellmann: „Die schwanken natürlich!“, denn am Wasser kann es immer mal windig werden, noch dazu in der Herbst-/Wintersaison. „Das geht nur mit einem Sicherungsseil,“ erklärt er. Aber passieren kann eigentlich gar nichts, denn seine Konstruktionszeichnungen sind alle so präzise ausgearbeitet, dass man sich wundert, wie nüchtern und rational er die Fülle des Materials und seiner eigenen Fantasie in Schach hält. Zwischen Kalkül und Uferlosigkeit scheint der Mann permanent eine innere Waage zu halten. Es gibt ja nicht so viele Leute, die das hinkriegen.
Info:
Eingereicht am 08.03.2014 um 00:52 What inside your head is passoin (maybe?). I called it; the many things inside your head that sometimes get wilder and crazier; with passoin. In my last grade to get my bachelor degree, I often get this passoin crawling in my head. I love my crawling passoin. But the problem is when this crawling thing is just crawling without have any chance to get you happy. So, live the life with your passoin (and also love!)Hahaha, my english is not that good. I hope you get what I want to tell you (so much!). Hahahahaha 🙂
– Skulpturenweg am Mannheimer Neckarufer (zwischen Collini-Center und Feudenheimer Brücke) von Anfang Oktober 2007 bis Anfang Februar 2008
– Atelier in 68159 Mannheim², H 7, 24, Tel. 0621-3974 9958