AUSSTELLUNG 12.03.2020

EINLADUNG zur AUSSTELLUNG
Franz Bellmann „Der legendenhafte Künstler ist wieder da!
mit Gemälden und Objekten in der Galerie FormStein

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See you all …

VERNISSAGE: 

Donnerstag, 12. März 2020, 19:30 Uhr

Einführungsworte von Dr. Christel Heybrock

Musik: Andreas Finger


FINISSAGE:

Sonntag, 26. April 2020, 11:00 Uhr

ÖFFNUNGSZEITEN: außer an Feiertagen

Mo-Do 15-18 Uhr, Fr+Sa 10-12 Uhr
Die Galerie FormStein ist auch mit der Stadtbahn Linie 4 → Richtung „Waldfriedhof“ zu erreichen.Unsere Haltestelle ist „Waldfriedhof“ und das ist die Endstation.

KONTAKT:

Hans Kaufmann FormStein

Kirchwaldstrasse 4, 68305 Mannheim

Telefon 0621 / 31 22 22 Telefax 0621 / 3 18 98 26

galerie.formstein@web.de

Franz Bellmann H 7, 24, 68159 Mannheim

0621-3974 9958

franzbellmann@icloud.com

www.franzbellmann.de

Eröffnung, Ansprache Frau Dr. Heybrock

Franz Bellmann Galerie Formstein 12.3.2020 19.30 Uhr

Meine Damen und Herren,

Herr Kaufmann hat mich gebeten, einen Text vorzutragen, der seit 2008 auf meinen Webseiten steht und Franz Bellmanns Aktion „Baumfortpflanzung“ am Mannheimer Neckarufer zum Inhalt hat. Ich will diesem Wunsch gerne folgen, denn:

„Was andere Leute wegwerfen, hat Franz Bellmann schon immer interessiert. Vor allem die Getränkedose ist in ihrer massenhaften Erscheinung aus seiner Kunst nicht wegzudenken – sie war und ist schließlich so problemlos zu bekommen! Aber natürlich stellt Bellmann sich auch die Frage, was sich mit all den anderen Wegwerfartikeln anfangen ließe, mit denen der Mensch allmählich seinen Heimatplaneten bedeckt (und mittlerweile nicht mehr nur den). Zumindest Kunst lässt sich damit ja auch noch machen, womit der Müll einer ungeahnt sinnvollen Verwendung zugeführt wird. Sinnvoll aber ist es wohl auch, Menschen mittels Kunst vor Augen zu führen, was sie eigentlich anrichten und was der Natur zugefügt wird, welche die globale Verschmutzung nur noch mit Mühe verkraftet.

Als Bellmann im Mai 2007 unter anderem bei der Stadt Mannheim die Genehmigung für seine Aktion „Baumfortpflanzung“ einholen wollte, hatte die zuständige Behörde „größte Bedenken“ dagegen, weil sie die ohnehin „geköpften“ Weidenbäume, die nur noch seitlich austreiben können, in Gefahr wähnte. Bellmann, kampferprobt in der Auseinandersetzung mit Ämtern und Behörden, erinnerte in einem Antwortschreiben an die globale (und keineswegs ungesetzliche) Zerstörung der „Mangroven, der Regenwälder in Südamerika und Südostasien“, sowie der Auenwälder in der Oberrheinischen Tiefebene. „Meine Aktion Baumfortpflanzung“, schrieb er der Behörde, „ist vielmehr ein Appell an unsere Mitbürger: pflanzt Bäume, pflanzt Bäume, pflanzt Bäume. Nicht nur entwalden, bewalden, rund um die Erde, nicht nur im südlichen Neckarvorland!“ Er erinnerte ferner an seine Reinigungsaktionen unter anderem im Mannheimer Hafen zwischen 1991 und 1993, wo er mühelos 4000 weggeworfene Getränkedosen einsammeln konnte – nebst etlichen anderen Metallteilen und Wegwerfgegenständen. Allein aus den achtlos hinterlassenen Handschuhen der Hafenarbeiter konnte er eine Skulptur machen. Für diese Aktionen hatte er 1993 einen Umweltpreis erhalten. Dass der allerdings in einem knickerigen Scheck von 50 Mark bestand, den Bellmann dann auch gar nicht erst einlöste, wissen außer ihm wohl nicht viele Leute.

Aber die Aktion „Baumfortpflanzung“ ließ sich schließlich realisieren: Sie fand von Anfang Oktober 2007 bis Anfang Februar 2008 auf einem zweieinhalb Kilometer langen Streifen des Mannheimer Neckarvorlandes statt. Was eigentlich für Passanten als Anstoß zum Nachdenken gedacht war, lockte aber auch Vandalen an – eine der Stelen auf den Bäumen wurde kurz nach dem Beginn der Aktion mutwillig zerstört. Offenbar gibt es Menschen, die ihre Energien einfach nicht anders kanalisieren können als in dem Teufelskreis aus Wegwerfen-Kaputtmachen.“ 

Soweit der Text von vor 12 Jahren über die Aktion. Ja, doch, es sah schon annähernd so chaotisch aus, wie Bellmann die Welt bzw. seine Umgebung nun mal vorfindet, und diesen Eindruck werden Sie vielleicht auch jetzt haben. Ich weiß kaum, wie ich speziell hier ins Thema einsteigen kann, denn Franz Bellmann ist ja eine sehr komplexe Persönlichkeit. Um etwas Ordnung in die Sache zu bringen: Sie haben es mit einer richtigen kleinen Retrospektive zu tun, denn die Exponate reichen zurück bis in die 1990er Jahre. Damals – und es existieren davon leider nur noch Schwarzweiß-Fotos, die Sie drüben in der Ecke vorfinden, erregte Bellmann regional und überregional Aufsehen und Irritationen mit Dosenplattfahr-Aktionen, Dosenspaziergängen und Dosen-Mahnwachen, gerne auch mal vor den Eingängen von verständlicherweise wenig erfreuten Getränkehandlungen. Solche Aktionen könnte er aufgrund der anhaltenden Verbreitung des – ich sage mal: Grundmaterials wohl auch heute noch realisieren, aber die seinerzeit von ihm scheppernd durch den öffentlichen Raum getragenen Dosenanzüge und –schleppen sind ihm inzwischen doch etwas zu schwer, allein der Helm, an dem die meterlange Dosenschleppe hing, wog 10 Kilo. Zu den Fotos drüben in der Ecke gehört auch die Erinnerung an seine Ausstellung 1996 im Treppenhaus des Mannheimer Rathauses, das von oben bis unten voll mit Dosenstelen, Dosengirlanden und Dosensäulen war. Und nicht zuletzt hat Bellmann ja auch 2006 hier bei Formstein schon einmal ausgestellt.

Ich muss nur davor warnen, dass Sie ihn selber für so chaotisch halten, wie seine Kunstwerke schon mal aussehen: Der Mann ist in Wahrheit ein penibler Planer und Tüftler, der zwar immer mal autobiografische Aspekte einbezieht wie beispielsweise den blauen Pullover hier unten, der aber alles bis auf den Millimeter genau konstruiert. Auch das werden Sie drüben in der Ecke ahnen anhand einer unscheinbaren Zeichnung, die sich mit der akkuraten Konstruktion einer Doseninstallation befasst. Wer nämlich glaubt, es sei höchstens die Arbeit von zwei Stunden gewesen, so ein  paar platt gedrückte Dinger übereinander zu schichten, muss sich eines Besseren belehren lassen, denn die Säulen sollten ja unfallfrei jedem Ansturm standhalten – was sie bis heute getan haben, denn schließlich ist Bellmann gelernter Bautechniker.

Er ist aber auch studierter Soziologe mit einem permanenten, wenn auch distanzierten Interesse an den seltsamen Verhaltensweisen seiner Mitmenschen, und wenn ich aus Goethes „Faust“ den Spruch zitieren darf: „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“, dann muss ich darauf hinweisen, dass es bei Franz Bellmann nicht nur zwei, sondern eine ganze Menge Seelen sind. Einerseits also akkurate Berechnungen und Planungen, andererseits Neugier, Spontaneität und ein teilweise wüster Umgang mit Farben. Säulen aus platt gedrückten Dosen – aber dann auch Figurenbilder, die mitunter sogar Namen der vermeintlich Porträtierten tragen, ohne dass sie ihren „Opfern“ wohl immer ähnlich sehen. Um es mal ganz formal auf einen Nenner zu bringen: alles, was Sie hier sehen, ob Müll- oder Menschenbilder, unterliegt einem strengen Basisformat der Bildenden Kunst, nämlich dem Quadrat oder zumindest dem Rechteck. Keine Ordnung ohne rechten Winkel! Ob Sie die Müllwerke „Weltstadt mit Halde“ oder „Scherbenhaufen“ (oben auf der Galerie) betrachten oder die Figurenbilder und Figurenzeichnungen – sie unterwerfen sich alle diesem Prinzip, ohne das man ja kaum etwas präsentieren könnte… obwohl Bellmanns jüngere Kollegen heute dieses Prinzip lustvoll durchbrechen, wie Sie mitunter in der Kunsthalle feststellen können.

Eine Mischung aus Bellmannschem Formbewusstsein und ungebremster Farbenlust sehen Sie bei den „Fensterbildern“, bei denen er die Erscheinung von Einzelfiguren in ein loses Raster von fensterähnlichen Flächenzellen eingebettet hat, aber auch bei den beiden großen Bildern aus dem Zyklus „2:3“ von 2008. Was man auf den ersten Blick nicht sieht – es sind Fußball-Bilder, und die hatten sich bereits vor 14 Jahren hier bei Formstein angekündigt. Damals war hier u.a. das große Ölbild „Die Macht des Spiels“ zu sehen, ganz ähnlich aufgebaut wie die beiden jetzigen, wobei aber an der Oberkante noch hingewiesen war auf das Spiel „Real Madrid – Juventus Turin 2:3“, das 1986 stattgefunden hatte. Die Ordnung, die damals schon den Fluss der Farben kanalisierte, hat Bellmann weiter perfektioniert, indem die Gesichter wie in unregelmäßigen kleinen Kästchen eingefasst sind, mitunter sogar namentlich bezeichnet, und der Farbauftrag selbst ist ein wahres Fest aus Blau-, Rot-, Gelb- und Grüntönen, Lokalfarben sozusagen, da verwischt nichts zwischen den Grenzen, so etwas kann Franz Bellmann also auch! Bei den Bildern kommt noch eine Besonderheit hinzu: Auf den ersten Blick sieht es fast so aus, als habe der Meister die Formen gehäkelt – es gibt ja Kollegen von ihm, die so etwas machen zum Vergnügen der Betrachter. Aber die „Maschen“ bei Bellmann sind nicht textil, sondern unglaublich akkurat gesetzte, dicke kleine Farbtropfen, Tröpfchen für Tröpfchen, wie kleine Perlen nebeneinander platziert. Das Erstaunlichste aber ist das Konzept der Fußballbilder, denn es geht da gar nicht ums Spiel, auch wenn das (leere) Spielfeld einen irritierend großen Raum einnimmt. Es geht ausschließlich um die Zuschauer, um ihre Gesichter, ihre Blicke, ihr Gelächter, ihren Ärger, es sind fast schon Karikaturen. Menschen, gemeinsam eingepfercht in ein Gewebe aus Vorgängen, das der Bildbetrachter nicht sieht, das die Gesichter aber prägt. Was macht Fußball mit der halbwegs entindividualisierten Masse von Menschen, die sonst ganz anders bei sich selbst sind? Bei Bellmann schlägt da nicht nur der Maler, der Pinseltüftler, sondern wohl auch der Soziologe durch.

Eine der vielen Seelen in seiner Brust ist jedoch der Experimentator, und vielleicht hat der immer mal die Oberhand. Auch als Experimentator bewegt sich Bellmann zwischen Extremen wie der Figur und dem gegenstandslosen „Slinging“, dem Farbschleudern. Ich habe lange gebraucht, um seine Figuren zu verstehen, die ja in ihrer Kopflastigkeit immer etwas Unverschämtes, manchmal auch Schamloses haben, und vielleicht lassen sie sich gar nicht ganz verstehen. Er hat mir einmal gezeigt, wie er das macht, vor allem bei den Zeichnungen. Er spitzte einen Bleistift scharf an, brach die Spitze ab und rieb das Grafitstückchen mit dem Finger übers Papier, dschub, in ein paar Sekunden war eine Figur da, „nur so“, sagte Bellmann, und wenn er dann noch partiell Titanweiß anlegt und mit einem Japanspachtel drüber zieht, ist alles da. Ich denke mal, die Figur, das ist einfach so in ihm drin und kommt halt immer mal zum Vorschein, so wie jemand atmet, spricht oder Tee trinkt.

Beispiele für die Kunst des „Slinging“ sehen Sie oben auf der Galerie, und ich finde, es sind rein ästhetisch ganz wunderbare Bilder. Sie entstehen, indem Bellmann den Bildträger auf den Boden legt und die Farbe einfach drüber schleudert, es erinnert an Jackson Pollocks Farbdripping, obwohl es doch anders funktioniert. Die feine Dynamik der Linien kommt bei Bellmann direkt aus den Bewegungen der Hand, und da muss man schon eine fast fernöstliche Disziplin und gesteuerte Spontaneität haben, um diese Ballungen und Knoten, dieses Gewebe und seine partiellen Lösungen hinzubekommen. Eine Sekunde an Unkontrolliertheit oder bewusstlosem Nebensichstehen kann den Linienfluss zunichtemachen, korrigieren lässt sich da nichts. Vor allem dann nicht, wenn noch Schrift darunter liegt, die mit den Schlingen halb zugedeckt wird: „Do you like SPD?“, „Do you like Grass?“

Feinstes Farbenschleudern mit politischem Hintergrund, ja, welche Seelen schlummern da noch in dem Franz Bellmann? Warten wir ab, was alles noch hervor kommt bei ihm, und gucken wir erstmal hier herum, was schon da ist. Aber etwas muss ich noch erwähnen: In Bellmanns Dosenzeit war ich Zeitungsredakteurin, und die Kollegen konnten nicht verstehen, was an einer dämlichen Dose denn Kunst sein sollte. Sie wollten mich reinlegen und präsentierten mir einmal ein Geschenk in einer Pappschachtel, angeblich von einem Künstler für mich abgegeben. Ich habe die Schachtel im gespannten Beisein der Kollegen aufgemacht und platzte heraus: mein Gott, was für ein Blödsinn, das ist eine völlig banale Blechdose, von Kunst hat die noch nie was gesehen! Große Enttäuschung ringsherum – aber der Anschlag konnte gar nicht gelingen, denn die Bellmann-Dosen, die sind immer noch etwas ganz Besonderes!
Vielen Dank für Ihre Geduld beim Zuhören!

Ausstellung des Mannheimer Kuenstlers Franz Bellmann “ Der legendenhafte Kuenstler ist wieder da “ Eroeffnung 12.03.2020 Finissage 26.04.2020. Bild zeigt den Kuenstler mit 2 Mischtechniken li.: “ Marionetten „re.: “ Am Fensterkreuz “ ©ÊManfred Rinderspacher