Wolfgang Kessler – Gedichte

W O L F G A N G    K E S S L E R

26. März 1941 … 24. Juli 2014

Für Annedore

GEDANKEN ZUR LANDSCHAFTSPFLEGE

Wäre es nicht sinnvoll: Streuobstwiesen,

jetzt, wo sie niemand mehr so richtig braucht,

für Sommerfrischler und Menschen, die Natur geniessen,

mit feinem Marmor auszufliessen?

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MODERNE EHE

Endlich verheiratet!

Jetzt teilen sie ganz offiziell das Bett, das Brot, das Haus

und wenn sie Bauern sind auch noch den Acker und die Rinder

und wenn sie nach zehn Jahren dann geschieden sind

dann teilen sie auch noch die Kinder.

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IN GEDANKEN BEIM KOCHEN (Küchenregeln)

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Wie war das damals, denke ich, so vor fünfhundert Jahren, zum Beispiel bei Frau Luther?

Kannte die schon – mit Salz, Zitronensaft und Knobi, Thymian, Rosmarin – gemachte Kräuterbutter?

Oder braute sie dem Martin, im kalten Winter, wenn er Husten hatte, einen Salbeitee? Aus ihrer Kräuterapotheke, das wäre auch o.k.

Da fällt mir ein – das ist verbürgt – in Worms an jenem Nibelungenfestspielorte bracht ‚ ihm der Wirt im Parkhotel am Rhein zum Abendessen eine Pfälzer Herrentorte.

Wo anders aber steht geschrieben, die guten Wirtsleut‘ hätten aufgetragen, was er mit Lust verspeist, von einer Deidesheimer Sau, mit Zwiebelring umlegt, den halben Magen! Verdammt, nicht aufgepasst, Malheur! Welch eine Pfanne!

Es raucht und russt aus meiner Teflon-Pfanne.

Das hab‘ ich nun von meiner Exkursion zu der Familie Luther: Verkohlte Zwiebelringe in schwarz gebrannter Kräuterbutter.

Gekocht, geraspelt, gedünstet.

Glasiert und auch geschnippelt:

lass‘ dir

die feine Speisemöhre schmecken.

Doch niemals roh

als Ganzes,

sonst bleibt sie dir

in deiner Speiseröhre stecken!

WAHRSAGERIN

An dieser Linie Ihrer rechten Hand

ersehe ich

Sie sind schon dreimal auf Hawaii gewesen.

Ist gar nicht wahr

sagt der Proband

und darauf sie

Entschuldigung, da hab‘ ich mich mal wieder Handverlesen.

Sitz die Frau erbost zu Haus‘:

Geht der Mann alleine aus!

Geht der Mann alleine aus:

Sitz die Frau erbost zu Haus‘!

Entschuldigung

Es hätt‘ ’ne Christmasstory geben sollen

mit Truthahn-Food

und SantaKlaus

und echtem

Dresd’ner X-Mas Stollen

OST- UND WESTGOTEN

Sagt der Ostler

zu dem ondern:

Nu loof fei zu, wösts nüsch

mer missen velkerwondern